Bulgarien Sommer 2016



Bergtouren im Zeichen ungeplanter Ereignisse


Sughia

Das Rila-Kloster




Sa, 16.07.
 
Nachts schlecht geschlafen, früh noch den Rucksack optimieren, dann in der DB-App gelesen, dass ein Notarzt-Einsatz die S8 zum Flughafen zum Stillstand gebracht hat, fahre dann mit der S1, lese vom Militärputsch gestern abend in der Türkei und Kämpfen auf dem Flughafen Istanbul, dann auf aero.de das der Flughafen seit heute morgen wieder in Betrieb ist und Turkish Airlines ca. 50% aller Flüge abwickeln will.
Dann ruft Angela an, die schon am Flughafen ist und berichtet, dass heute alle Türkei-Flüge ab München annuliert sind.

 
Am Flughafen gleich zum Turkish Airlines Schalter, nach einer Stunde Anstehen am Schalter ein sehr hilfsbereiter Mitarbeiter. Er versucht uns auf Lufthansa oder eine andere Airline nach Bulgarien umzubuchen. Es ist aber alles ausgebucht, nur Wartelistenplätze sind frei. Auf Ziele in Nachbarländern darf er nicht umbuchen.
Ich schlage ihm dann vor, dass wir morgen fliegen und tatsächlich gibt es für morgen zur gleichen Zeit noch 2 freie Plätze, wahrscheinlich weil einige Leute des Putsches wegen storniert haben. Die Aktion am Schalter dauert eine halbe Stunde, während dieser Zeit hat sich hinter mir eine Menschenmauer aus hunderten von Leuten gebildet, die von den 2 Schaltern abgefertigt werden müssen.
 
Fahren dann zurück in die Stadt, ich gehe erst mal Einkaufen und fühle mich etwas neben der Spur, Angela geht es genauso. Draußen vor dem Fenster tobt der Baulärm von der SDI-Schule und vom Chinesen-Konsulat, das hat mir zu meinem Glück heute noch gefehlt.
 
So, 17.07.
 
Noch etwas Gepäckoptimierung, letzte Teatime, dann reibungslos zum Flughafen. Lange Schlangen und exzessive Kontrollen, Sicherheitscheck zusätzlich auch im zweiten Stock. Satte Abflugverspätung. Exklusiver Bordkoch mit Kochmütze, macht ein phänomenal gutes Essen.
 
Istanbul mit Saharatemperaturen und gewaltigen Menschenmassen im Flughafen. Trotz Verspätung noch genug Zeit für einen Rundgang durch den Flughafentrubel. Flug längs des Balkangebirges, dicke Passatwolken wälzen sich vom Hauptkamm, Sonne im Tal.
Landen pünktlich in Sofia, nagelneue Metro in die Stadt, 300 Meter von der Metrostation ins ruhig-dörflich gelegene 10Coins Hostel, großes Appartement mit Küche im Dachgeschoss, beschließen 2 Nächte hier zu bleiben. Fast-Vollmond vom wolkenlosen Himmel.
 
Mo., 18.07.
 
Früh tiefe Wolken überm Vitoscha, über der Stadt reißt es auf. Metro zur Lwow Most, Viktualienmarkt, Cappuccino in der Pirotska. Es wird immer wolkiger, kühler, windiger und dunkler. Beschließen die Flucht nach Sandanski. Zum Hostel, auschecken, leckerer Strudel und Banitza beim Bäcker an der Straßenecke. Metro zum frisch renovierten Bahnhof, Ticket kaufen. Geld abheben am Busbahnhof, Cappuccino vorm Bahnhof. Runter ins Untergeschoß. Die alten Lädchen und Gaststätten gibts nicht mehr, dafür neue, die leerstehen.

In den Zug, es ist ein ehemaliger InterRegio der Deutschen Bahn. 11:45 geht's los, draußen ziehen die wolkenverhangenen Berge vorbei. Ab Blagoevgrad reißen die Wolken auf, es wird warm und die Fahrt geht durch eine schöne und wilde Schluchten-Landschaft bis Kresna. Raus in Melnik bei schönstem Wetter und angenehmem Wind. Welch ein Kontrast zu Sofia. Minibus ins Stadtzentrum, beziehen unser freundliches Appartement mitten in der Fußgängerzone.
 
Ausgiebige Runde bis zum Ende des schönen Stadtparks. Vogelgewimmel und Zikadenklänge am Fluss mit seinen Hängebrücken und uralten Platanen. Eine 650jährige Platane im Stadtzentrum. Einen erstassigen Schopska Salata am Weg zum Busbahnhof, dort die Busse nach Melnik klären.
Bei Telenor neue Internet-Simkarte besorgen, alte Sim verlieren ihre Gültigkeit nach einem Jahr. Aufstieg zum Gipfelfriedhof über der Stadt mit glasklaren Pirinblick. Abendliches Begängnis und Bierchen in der Fußgängerzone.
 
Die., 19.07.
 
Cappuccino in der FGZ, Morgenrunde durch den Park, die Kehrkolonne mit Besen statt Laubbläser. Leckeres Frühstück beim Bäcker. Über den Gemüsemarkt zum Bus, Espresso am Freisitz. 11:40 Start nach Melnik. Beziehen ein schönes Zimmer mit super Felsblick. Riesiger Schopska Salata.
 
Wandern dann mit unseren Sandalen durch wilden Dschungel und Stachelpflanzen  hoch auf das Felsenplateau im Norden der Stadt zu den alten Ruinen und über grandiose Pfade direkt am Canyonrand entlang zum Kloster. Zum Glück dämpfen seit Mittag gnädige Wolken die brütende Sonne. Immenses Zikaden-Konzert. Phantastische Blicke über das Labyrinth aus südlichem Laubwald-Dschungel und bizarrer Felswildnis auf Pirin und Slawyanka. Im Abstieg noch ein spektakulärer Blick über Melnik und die Felsen aufs Pirin. Dann Abhängen im Zimmer, Memos schreiben, Landkarten anschauen. Nur ein uralter, eingescannter Stadtplan zeigt die alten Pfade auf dem Plateau.
 
Mi., 20.07.
 
Früh eine XL-Tasse erstklassiger Spetema Espresso in der Herberge, dann Frühstück, dann Start Richtung Zlatoliste. Bei stahlblauem Himmel durch den Dschungel zum Pass, runter, über schöne Wiesen zur Abkürzung Richtung Rozhen Kloster. Schon bald gibt es wieder mehr Wolken, ab dem Kloster wird es schwarz über dem Pirin. Zwei Slowaken am grandiosen Panoramapunkt über dem Kloster, sind in einer Woche über Musala und Vichren hierher gelaufen.
Abstieg im Flussbett durch wilden Zikaden-Dschungel und vorbei an der Weinkeller-Ruine mit Wasserschlauch-Quelle. Am Ortsbeginn kleine Schleife über die Festung und den leeren Kommerz-Weinkeller. Waschen, Bus klären, Schwatz mit dem Melnik Bettler unten im Park. Die 850jährige Platane unten am Bushalt fotografieren. Schopska und Forelle im Bistro. Wein bei Omi im Weinkeller, zuvor auf der Bank am letzten Haus im letzten Sonnenlicht mit Heerscharen an Schwalben.

 
Do., 21.07.
 
Vorzügliches Frühstück in der Herberge. Ein paar Lebensmittel kaufen im Herbergsladen, gegenüber der kleine Supermarkt macht erst 8:30 auf. 9:00 Bus nach Blagoevgrad, wieder durch den schönen Canyon. In Blagoevgrad gleich Anschluß nach Rila Ort. Glasklarer Bergblick. Erstklassiger Bianco Espresso im Stadtpark, 12:40 hoch zum Kloster.
 
Bei grandios klarem Bergblick eine Runde durchs frisch renovierte Kloster, allseits umgeben von urigen Mischwäldern in allen Grün-Schattierungen. Die Mauersegler toben durch den Innenhof. Die Kloster-Bäckerei gibt es noch, Brot gibt es ab 12:00 Uhr. Hinterm Hotel die Neubauten sind immer noch nicht fertig, nur das neue Feuerwehrhaus wird schon genutzt. 14:00 öffnet die Rezeption der Kloster-Herberge, es ist noch ein (3er) Zimmer verfügbar, das nehmen wir. 20:00 wird das Kloster-Tor zugesperrt. Draußen das Hotel ist bei Booking schon ausgebucht.
 
Wandern dann flußaufwärts vorbei am (ehemaligen?) Rilets Hotel, ist immer noch in Renovierung. Dann der urige Bor Camping und über die Brücke zum Zodiac. Entscheiden uns dann für morgen für eine der kleinen Hütten auf dem oberen Teil vom Bor Camp mit schönem Maljovitza Blick. Schwatz mit 2 Holländern, die 5 Tage bei Schlechtwetter mit Zelt oben auf dem Kamm waren und immer wieder zum Essen und Rotwein kaufen in den Berghütten waren.
 
Zurück zum Kloster, finden zufällig unten am Fluss hinter einer Art Bauhof das historische Krematorium mit dem Klosterfriedhof. Mit Wegweisern wo sie keiner mehr braucht und nagelneuen Brücken.
Finden dann noch die Wanderweg-Einstiege hinter dem neuen Feuerwehrhaus. Der Weg am Bach entlang ist mit riesigen Schildern als verboten gekennzeichnet. Abends in der Dämmerung noch ein Panorama-Rundgang über alle Etagen des Klosters. Die Touri-Zimmer sind nicht vom Mönchs-Bereich getrennt. Vor dem Fenster röhrt der Fluß.
 
Fr., 22.07.
 
Vorzüglicher Morgenkaffee in der Gaststätte oben neben dem Kloster. Beziehen unseren Panorama-Bungalow auf dem Camping Bor. Auf die andere Straßenseite, nur der Pfad zur Bergkirche ist zu finden, weil ausgetreten. Der auf der alten Karte eingezeichnete Pfad Richtung 7-Seen Höhenweg ist nicht auszumachen.
Durch blühende Wiesen in den grandiosen Urwald, sind schon bald an Neofit Rilskis Haus. Am Haus das letzte Wasser. Oberhalb ein Pfad mit verblasstem Wanderwegzeichen. Wir folgen steil bergauf, dann eine Verzweigung. Rechts ab weniger ausgetreten mit alter Markierung, links ohne Markierung, aber mehr ausgetreten. Gehen links aufwärts, schon bald die nächste Verzweigung. Bleiben wieder links, links ist die Waldgrenze deutlich tiefer. Treffen dann auf eine uralte Almpiste, geht links runter und rechts hoch. Halten uns rechts, dann Serpentine links und durch immer wilderen Wald, Urwaldriesen liegen quer über dem Weg. Kommen dann auf einem Felsenband hinaus auf eine prächtig blühende Panoramawiese. Weglos aufwärts zu einem Aussichtsfelsen. Noch höher finden wir keinen Durchschlupf durch die dichte und stachelnde Macchia.
 
Ausgiebig Pause, weit hinten im Tal schaut das Kloster heraus. Abstieg dann bis zur alten Almpiste und weiter auf der Piste abwärts. Queren unten noch eine wasserführende Schlucht, finden dahinter einen alten Pfad mit alter Markierung. Das könnte der alte Weg zu den 7 Seen sein. Unmittelbar darunter beginnt das große Wiesengelände mit 2 ziemlich neuen Info-Tafeln vom Nationalpark, schon gut eingewachsen in hohem Farn. Ein Stück rechts am Wiesenrand im Wald eine idyllische Kirche. Quer über die Wiese erreichen wir wieder den Pfad, der uns heute früh zu Rilskis Haus gebracht hat.
 
Marschieren vor zum Kloster, kaufen das gute Klosterbrot. Espresso in der kleinen Gaststätte am Kloster. Schopska im Hotelrestaurant unten am Fluss. Retour zu unserem Camp-Idyll, duschen, vor der Hütte im schönsten Abendlicht das Maljovica Panorama anschauen. Dann ereilt mich ein fürchterlicher flotter Otto.
Eine große bulgarische Familie rückt an mit 2 Autos. Das Waschbassin wird mit Bier und Weinflaschen gefüllt, schon bald brennt das Lagerfeuer. Irgendwann kommen noch 3 Franzosen, die schon mal da waren, denen es aber beim ersten Besuch nicht fein genug war. Nachts sorgen noch stundenlang wummernde Bässe fûr einen erholsamen Schlaf.
 
Sa, 23.07.
 
Früh ziemlich gerädert. Außerdem ist es saukalt. Verzichte auf Espresso und Frühstück, damit die Busfahrt nicht in die Hose geht, Loperamid ist nicht an Bord. 9:00 Bus nach Dupnitsa, über die Rilapark-Straße, die gerade landschaftsverschönernd auf aller Krampf verbreitert wird.
 
In Dupnitsa gleich Anschluß nach Sapareva Banja. Dort im Zentrum an der zweiten Bushaltestelle Geld abheben und Lebensmittel kaufen. Gegenüber ist gleich der Sammelplatz für den Microbus zur Pionerska Hischa. Da warten schon ein kanadisches Pärchen und eine Englisch-Lehrerin aus Sofia mit ihrer Tochter. Die organisiert noch schnell ihre Rückfahrt, dann starten wir. Auffahrt durch Fichtenplantagen, ca. 4km vor dem Lift beginnen die lückenlos geparkten Autos. Ganz oben die Parkplätze sind reserviert für die "White Brotherhood" Sekte, eine Gemeinschaft von Sonnenanbetern, erzählt die Lehrerin. Dann stellt sich raus, das die Kanadier nicht genug Bargeld für den Lift haben. Die Lehrerin ist auch knapp bei Kasse, gibt aber den Kanadiern 20 Lewa in der Hoffnung, das sie es irgendwann zurueck bekommt.
 
Gondeln mit dem Sessellift auf 2150 Meter, Windstille und T-Shirt Wetter. Oben in der hotelartigen Hütte gibt es ein Super Buffet und eine exzellente Espresso-Maschine. Treffen einen Sauerländer und seine bulgarische Frau.
 
Eincremen, loswandern zur 7Seen-Hütte. Über uns auf dem Rundwanderweg schiebt sich ein endloser Menschen-Bandwurm über den Bergrücken. Immer wieder landet ein Hubschrauber da oben. Die 7Seen-Hütte liegt mit phänomenalem Blick über den See auf die Felsmauern des Hauptkammes. Einchecken, kein Problem trotz Samstag.
Kaffee undTschorba Suppe auf der Panorama Bank vor der Hütte. Schwatz mit einer Französin, die gemeinsam mit einem Bulgaren einen Missionars-Stand vor der Hütte aufgebaut hat. Sie wohnen 3 Wochen hier auf der Hütte und haben ihren Kram mit dem Pferd hochgebracht. Sie haben eine Wohnung in Paris und eine in Sofia.

 
Schöne Abendrunde zu den beiden höher gelegenen Seen. Ein bulgarischer Journalist lässt an der See-Rückseite alles liegen was er besitzt, inkl. Presseausweis und Funkgerät. Wir denken, er ist ertrunken, er war aber nur Fotos machen hundert Meter weiter. Rückkehr über die heilige Quelle an der Rückseite des Sees, dann gemeinsam mit einer verrückten Basketball-Gang vor der Hütte, bestehend aus Engländern und nach London ausgewanderten Bulgaren. Ihr Ghettoblaster verbreitet wilde Musik. Abends Mücken und alle Steckdosen mit Handies belegt. Nach Sonnenuntergang deutlich wärmer als gestern abend 1000 Hm tiefer im Rilatal. Spätabends bekomme ich noch eine freie Steckdose.
 
So., 24.07.
 
Nachts war es angenehm ruhig. Dummerweise ist die Lavazza- Espressomaschine kaputt, also gibt es Kaffee aus der Bialetti, wahlweise auch Nescaffee. Ausgiebig Frühstück am See incl. Polenta von der Hütte. Oben schieben sich immer wieder 2 Fesselballons in den Himmel. Langsam entwickelt sich der Wanderer-Bandwurm oben auf dem Grat. Noch ein Schwätzchen mit den Wilden von der Baskettball-Clique, einer ist ein nach London ausgewanderter Finanzberater, natürlich großer EU-Anhänger.
 
Abmarsch Richtung. Hauptkamm. Vorbei an der dicht umlagerten Quelle, zuvor kommen uns 2 ganz in weiß gekleidete Gestalten entgegen. Die Kinder einer Familie machen einen auf Sonnenanbeter-Sekte und werden dabei unter allgemeinem Gelächter abgelichtet.
Kurz hinter der Quelle gehts auf unmarkiertem Pfad steil aufwärts, das Seenpanorama wird immer besser. Der Hubschrauber fliegt im 20 Minutenrhytmus hoch zur Ballonstation, die mit einer gigantischen bulgarischen Fahne ausgelegt ist. Oft begleitet von einem Sportflugzeug. Auf dem schönen Panoramaweg begegnen uns nur eine bulgarische Familie und ein einzelner Bulgare.
 
Erreichen dann den plateauartigen Hauptkamm. Lange Pause mit Blick über 5 Seen und zurück zur Hütte. Weiter aufwärts bis zum auf weiter Flur höchsten Punkt, wo schon eine Frau mit mehreren Teenager-Mädchen Pause macht. Hier gibt es das bislang schönste Panorama: Unter dem Hauptkamm 5 gestufte Seen mit Wasserfall, dahinter bauen sich die wilden Zacken der Maljovica-Gruppe auf.
 
Langer und flacher Abstieg durch eine ausgedehnte Hochalm mit hochanatolischer Yayla-Atmosphäre von ca. 20 qkm. Unmengen Pferde, Fohlen, Schafe, diverse Arten von Kühen, dazu Wasserbüffel. Ein totes Kalb, das noch nicht lange tot zu sein scheint.
Erreichen dann die Iwan Wasov Hütte. Die junge Chefin erzählt uns, das das Kalb vor einer Stunde noch am Leben war. Die oberen Zimmer werden gerade renoviert, unten gibt es nur einen engen Schlafsaal mit extrem durchgelegenen Betten.
Man gibt uns dann einen der alten Bungalows, das ist trotz Hängematten-Betten die bessere Option.
Die Hütte wird von einer sehr alternativ wirkenden Gruppe aus jungen und alten Leuten bewirtschaftet, nur die junge Chefin und ein Typ mit kleiner Tochter wirken souverän. Die anderen wirken irgendwie seltsam abwesend.

In der Sonne hinter der Hütte bis die Sonne um 19:45 hinterm Berg verschwindet. Dann bekommen wir von dem Typ mit der Tochter den Tipp, dass es wenige Minuten talabwärts einen Blick in einen schönen Canyon mit Sonnenuntergang gibt. Ausflug zum Canyon, dann eine vorzügliche Kartoffel-Gemüsesuppe und Schopska. Vor der Hütte läuft ein Klangschalenkonzert. Noch mal zum Sonnenuntergangstal, noch eine Suppe. Im Raum eine 3er Gruppe Ungarn mit einer Bulgarin. Sie erzählt, dass hier viele Leute Anhänger eines Kults sind, der vegetarisch ißt und deshalb besonders gut vegetarisch kocht. An der Wand des Essens-Raums lacht auf 3qm ein heiliger Sonnenanbeter. Steckdosen gibt es, aber seit einem Jahr keinen Generator mehr, erzählt ein bulgarisches Pärchen mit Tochter. Nach Einbruch der Dunkelheit gibt es etwas Licht in der Hütte, von einem Akku, nicht aber in unserem Bungalow.
Morgen ist die Wetterprognose widersprüchlich, evtl. gibt es nachmittags ein Regenrisiko, sagt das Pärchen. Sie spricht deutsch, er englisch.
 
Mo., 25.07.
 
Starker Kaffee und gutes Frühstück. Die Hilfskräfte schlafen noch. Wetterprognose ist lt. Wirt gut und ohne Regen. Schwatz mit den 3 Ungarn, sind oft in den rumänischen Bergen. Einer hat Knieprobleme, aber einen Riesen-Rucksack..
Aufstieg zum Pass durch die Yayla-Landschaft. Erstklassiger Höhenweg, rechts immer wieder Blick bis runter zum Rila-Kloster. Wabernde Wolkenberge mal nah mal fern. Die Landschaft erinnert zunehmend an Hoch-Korsika. Am Ende Abstieg ins spektakuläre Maljovitza-Tal, schon von weit oben kann man unten die Hütte sehen. Am steilsten Abschnitt der wilden Stolperpiste kommt uns ein bulgarisches Pärchen mit Baby in der Kraxe und Campingausrüstung entgegen. Vorbei an einem sagenhaft schönen See in dolomitenartiger Umgebung geht es über mehrere Steilstufen gut 700 Hm runter zur Hütte. Auf halber Strecke zieht es Angela auf einer schrägen Steinplatte die Füße weg und sie stürzt schmerzhaft auf die linke Hand.
 
Unten die bislang preiswerteste Hütte mit dem gleichzeitig besten Niveau: Heiße Duschen, 2er Zimmer, super Matratzen. Nur beim Kaffee schleift es, da sind die Lavazza-Kapseln alle und es gibt nur Nescaffee, nicht mal türkisch. Außerdem ein verbranntes und innen rohes Omelett. Und draußen ist zur Sonnenuntergangszeit ein Mücken-Eldorado, werden beim Weintrinken ziemlich zerlöchert. Gegen 20:30 kommen die 3 Ungarn, wollen morgen zur Biwakhütte am Strashnoto-See, ca. 480 Meter über der Maljovitza-Hütte, soll sehr lohnend sein.
 
Di., 26.07.
 
Die Nacht über geht es Angela schlecht wegen starker Schmerzen im linken Handgelenk. Weiterwandern ausgeschlossen. Die Hüttenwirtin meint, dass um 9:45 unten vom Maljovitsa-Komplex ein Bus fährt. Draussen leichter Niesel und dicke Wolken. Marschieren auf und neben der schrecklichen Felsbrockenpiste runter, sind 8:51 da, die Leute dort meinen, dass der Bus um 8:45 geht. Tatsächlich geht er 9:00.
 
In Samokov schnell einen Espresso und einen Strudel/Banitza, 10:00 Start nach Sofia Süd-Busbahnhof. Steigen schon etwas früher an der ersten Metrostation aus, weiter bis eine Station hinter Serdika, dann zu Fuß ins Uni-Viertel zur zentralen Notfallklinik. Marschieren zuerst in den Hintereingang, der gerade von 2 Leichenwagen verlassen wird. Man schickt un um die Ecke zum Haupteingang.
 
Nach einigem Herumfragen landen wir in der Traumatologie, dann Röntgen (ein Clown drängelt sich vor), dann Befundbesprechung (glatter Bruch, heilt alleine), dann Eingipsen, dann CD und Arbeitgeberbestätigung beantragen, dann bezahlen, dann CD und die Bestätigung abholen. Derweil wird vor meinen Augen alles Elend dieser Welt über die Gänge geschoben. 15:30 ist alles erledigt.
 
Laufen zum Moreto Hostel am Yuschen-Park, schönes Balkonzimmer, Gemeinschaftsküche inkl. Kaffee und Tee. Dummerweise gegenüber eine laute Wohnungs-Baustelle, die aber nur bis 19:00 lärmt. Dahinter unmittelbar angrenzend wird der Vitoscha Boulevard neu asphaltiert.
 
Drehe noch eine Runde durch den Park und die Stadt bis vor zur Markthalle, Roggenbrot und Tomaten kaufen, Telenor Datenvolumen nachkaufen. Die FGZ ist mittlerweile fast vollständig von (Szene-) Gastronomie in Beschlag genommen. Die Hochhäuser, die den Blick vom NDK verstellen, sind immer noch nicht fertig. Es regnet immer wieder, auf dem Rückweg volles Rohr mit Blasen, habe zum Glück das Cape mit. 23:00 regnet es immer noch, bloss gut dass wir nicht mit den Ungarn am See sind.
 
Mi., 27.07.
 
Morgensonne bei stahlblauem Himmel, die Baustellen schweigen noch. Das letzte Kaffeepulver ist gerade von 3 deutschen Mädels verbraucht worden, die gestern schon mit Zelt und riesigen Rucksäcken ins Rila wollten. Haben aber um einen Tag verschoben, wegen Wetter und Kater, haben am Vorabend an einer organisierten Pubtour teilgenommen. Eine vom Hostel Personal besorgt ein neues Glas Kaffee-Granulat, wir trinken einen Lavazza draussen im Cafe am Park.
 
Als wir dann loswollen, ist niemand mehr da vom Personal, das Office öffnet erst um 10:00 Uhr. Anruf bei der ausgehängten Nummer hilft nicht. 5 Minuten später kommt der Wäschemann, wir nehmen das Paket an, 2 Minuten später kommt ein verschlafenes Mädel vom Staff. Wir checken aus und ziehen zum Frühstück in den Park. Ich gehe nochmal zurück, unsere Essenbox ist noch im Kühlschrank. Es ist wieder niemand da, aber klingeln hilft, wieder ein anderes Mädel, wieder frisch aus dem Tiefschlaf geweckt.
 
Ausgiebig Frühstück im Park mit leckerem "Nemetski" Roggenbrot und schönem Vitoscha-Blick. Spazieren dann am NDK vorbei und am alten Denkmal, dort erklärt uns ein alter Bulgare, dass der Kommunismus kaputt ist. Weiter durch die FGZ bis zur Serdika Metro, 2 Stationen zum Bahnhof. Werden zum Ticket kaufen ins Untergeschoss geschickt. Oben ein sehr leckerer (Moreno-?) Kaffee mit schattigem Freisitz. Zimmer in Plovdiv besorgen, Banitza kaufen, Wasser, 12:30 Abfahrt Richtung Plovdiv. Stan vom Hostel fragt an, wann wir kommen, weil es keine Rezeption gibt. Draussen ist es heiß und wolkig, während wir durch die grünen Ausläufer des Rila fahren.
 
Pünktlich 15:35 in Plovdiv, marschieren durch die schattige Platanenallee ins Zentrum und zum Bestrest Hostel in einer ruhigen Wohnlage. Stan ist da, beziehen gleich unser kühles Souterrain Zimmer. Alles extrem gepflegt hier und äußerst großzügige Gemeinschaftsanlagen, sogar ein Büro mit 2 Arbeitsplätzen ist dabei.
 
Drehe eine Runde durchs Viertel, Tomate und Paprika kaufen. Cappucino-Pleite im benachbarten Restaurant: Wässriger Kaffee fast ohne Milch mit drübergestreuseltem Instant-Granulat. Man nimmt mir die von innen mitgenommene einfache Papp-Speisekarte mit den niedrigen Preisen weg und gibt mir eine edle Ledermappe mit hohen Preisen. Am Ende zahle ich wegen eines verfrühten "Merci" auch noch 60% Trinkgeld für das Kaffeewasser...
 
Spazieren dann kreuz und quer durch die heiße Stadt. Sehr lebendig, künstlerisch und gediegen, schöne Fußgängerzone, auch die vegane Modewelle ist schon eingetroffen. Nur sowas Profanes wie Schopska ist schwer zu finden.
 
Do., 28.07.
 
Früh ein erstklassiger Bianco Espresso im Cafe Freisitz im Postgebäude, man hat sogar eine Mazzer Mühle. Dann eine Morgenrunde über den Befreierhügel, dunstige Sicht und schon recht heiß.
Zn-Tabletten kaufen für Angela, hat Halsschmerzen. Ins Hostel, Schwatz mit Stan. War 18 Jahre im Pharmavertrieb, am Ende als CEO. Hatte dann den Kanal voll vom Erfolgsdruck, von Hire & Fire und und endlosem Stress und ist jetzt zufrieden mit seinem Hostel, auch wenn er es mittlerweile etwas nüchterner sieht als am Anfang.
 
Rucksack schnappen. zum Bahnhof, Ticket nach Bansko. Eine Stunde Aufenthalt im beschaulichen Septemvri. Dort unter alten Platanen ins Zentrum schlendern, am zentralen Platz noch einen exzellenten Bristol Espresso und 3 Liter Wasser tanken. Im kleinen Supermarkt noch etwas Verpflegung.
 
Tuckern dann mit der Schmalspurbahn schon kurz hinter Septemvri durch einen grandiosen Laubwaldcanyon auf die Hochebene von Velingrad. Dort wird es voll im Zug und es ist zu spät für einen Wechsel in den letzten Waggon, um den Dieselabgasen im ersten Waggon zu entkommen.
Bis Bansko alle Ortschaften mit mindestens einem Minarett. Dazwischen überwiegend Kiefernplantagen und flache Hügel. Beim Zugstopp versorgen sich Fahrgäste und Personal am Bahnsteig mit Wasser, Zug wartet bis alle wieder drin sind. Ab Raslog schöner Pirin Blick.
 
In Bansko 5 Minuten vom Bahnhof das Zimmer beziehen und Minibus-Fahrplan zur Vichren-Hütte klären. Angela schläft, um sich auszukurieren. Ich drehe eine ausgedehnte Runde durch den zur Sommersaison sehr entspannten Ort. Die Touri-Flanierstraße gebt bis hoch zum Lift.
 
Fr., 29.07.
 
Herbergs-Frühstück mit reichlich fettem Marmeladentoast und Espresso. Zimmer verlängert, obwohl schon per Booking vergeben, Angela ist noch nicht einsatzbereit. Drehe eine lange Morgenrunde, die Berge sind noch umwölkt, es wird schnell wieder heiß, Mittag wird es auch über der Stadt wolkig und im Rila rabenschwarz. Große Waschaktion und Zimmer für Sofia besorgen.
 
Einige Tropfen fallen, dann lange Runde bis hoch zum Lift, inkl. Abstecher in die gut informierte Stadtinfo. Oben dann eine ganz andere Welt, ausgedehnte Hotelanlagen weiträumig in die ehemals idyllische Landschaft gefräst, dazu Casinos, Stretchlimousinen, reichlich Bars und Restaurants, selbst ein Kempinsky fehlt nicht. Über allem leuchten die rücksichtslos in den Nationalpark gefrästen Pisten. Ist aber nichts los hier im Sommer. Selbst der nagelneue Nationalpark-Infopavillion hat geschlossen.
Den ganzen Tag wabern Gewitter mal aus dem Rila, mal aus dem Pirin. Gegen 19:00 Uhr fängt es an aufzuklaren, zum ersten Mal ist das Pirin klar zu sehen, auch die Schwüle ist weg. Gehe wieder durch die Fußgängerzone runter in die freundliche Unterstadt, Essen und ein Schumensko trinken.
 
Sa., 30.07.
 
Von der herzlichen Herbergsmutter frischgebackene Banitza und leckere Birnen aus dem eigenen Garten zum Frühstück. Morgenrunde durch die Stadt, schöner klarer Bergblick. Lassen uns Zeit und beschließen, erst mit dem 10:40 Uhr Bus nach Sofia zu fahren. Zum Busbahnhof, Schwatz mit einem jungen Bulgaren, der mit RTL2 deutsch gelernt hat und historisch und politisch gut informiert ist. Er hält es für ein großes Drama, das die Amis es mit dem Ukraine-Trick geschafft haben, Deutschland und Russland auseinander zu dividieren. Angela Merkel ist für ihn eine Nutte der Amerikaner.
 
Zügige Fahrt über den Predelpass nach Blagoevgrad, 10 Minuten Kaffeepause, weiter zum Otschen Kupel Busbahnhof nach Sofia. Zwischendurch fragt das Guestbouse noch an, wann wir kommen. Tramtickets kaufen am gleichen Kiosk wo mir bei der letzten Pirin-Tour der Lonely Planet weggekommen ist. Mit der Tram 5 vorbei an der Uniklinik bis wenige Meter vor die Fußgängerzone. Den Boulevard entlang, kurz vor dem NDK Park links rein und nach gut hundert Meter stehen wir vor dem Guesthouse 32. Klingeln, keiner da, irgendwann kommt zufällig einer von der Gaststätte nebenan raus und lässt uns rein. Oben ist dann doch eine Frau vom Personal da, spricht französisch gibt uns das Zimmer und den Schlüssel, zeigt uns die Küche, aber kann uns nicht abkassieren. Da soll noch jemand anders kommen, der uns auch die mail geschickt hat.
 
Ausgiebiger Stadtrundgang. In der Newski Kathedrale erwischt mich einer der zahlreichen Aufpasser beim Fotografieren, wir werden ihn erst wieder los, als wir den Bau verlassen. Spektakuläre Musik- und Tanz-Hochzeit vor der Sveti Nedelja Kirche. Durch den Personaleingang in den geschlossenen und vorn von Einlassern versperrten Botanischen Garten der Uni, auch da läuft gerade ein (Edel-) Hochzeitsprogramm. Abends treffen wir die Gesellschaft im NDK-Saal oben auf der Südterrasse wieder, als das Brautpaar gerade tanzend in den jubelnden Saal hineingleitet.
 
Den ganzen Tag bis in die Nacht sehr angenehme Temperaturen. Nach 20:00 Uhr in der Fußgängerzone, großes Promenieren ist angesagt, die Gaststätten und zahlreichen Bänke sind berstend voll, wie erbärmlich wirkt dagegen die Münchner Fußgängerzone.
 
So.  31.07.

Morgenrunde und Espresso am NDK mit klarem Vitoschablick. Gepäck holen und durch die FGZ zur Serdika Station und weiter per Metro zum Flughafen. Der überirdisch verlaufende Teil der Metrostrecke ist vollständig eingehaust.
Beizeiten am Flughafen, pünktlicher Abflug, Runde durch den bunten und lebendigen Flughafen von Istanbul. Auf dem Flug nach München ist dieses Mal das Essen nur Durchschnitt. Nur 18 Grad in München. Schöner Blick auf Belgrad mit Festung und innerstädtischer Flussmündung. Dicke Wolken über den Alpen, landen gegen 19:00 Uhr pünktlich in München.

Mo.  01.08.

Angela geht in München zum Orthopäden und lässt sich noch eine Überweisung zum Kontroll-Röntgen geben. Erstes Ergebnis: Der Knochen ist gar nicht gebrochen. Zweites Ergebnis: Die für 6 Euro gekaufte Röntgenbild-CD der Notfallklinik in Sofia sollte eigentlich ein Röntgenbild enthalten, war aber leer...

Do.  04.08.

Angela hat sich zur Sicherheit nochmal einen Termin für eine CT geben lassen. Ergebnis: Es gibt doch einen glatten Bruch, aber an einer ganz anderen Stelle, als in Sofia gefunden... Dafür reicht jetzt eine Schiene statt Gips.





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