Anatolien Herbst 2012
Von Ankara in Europas schönste Felslandschaft - ein Juwel der Sonderklasse!
Blick in die Südwand des Boztepe
Samstag, 29.09.:
Perfekte
Abflugzeit 11:20 Uhr und endlich mal wieder mit Lufthansa statt mit
Dumping-Airline. Die Granaten der Hungerlohn-Konkurrenz sind aber schon
eingeschlagen: Es gibt nur noch erbärmlichen Instant-Sirup-Kaffee
am Gate. Dafür immer noch ordentliches Essen an Bord.
Ankara: Nichts los am Flughafen, welch ein Unterschied zum viel
kleineren Tbilissi. Ein Geldautomat verlangt 5% Provision. Bus 33km bis
zur U-Bahn, U-Bahn bis Station Kurtulus kurz vorm Han-Hostel am Rande
des Cebici Campus. Hochsommerlich warm. Doppelzimmer mit einem
Holländer, er kommt vom Kacgar, Gipfel nicht erreicht, hat
schlechten Schlafsack, den Weg oben nicht gefunden und war unter
Zeitdruck, weil zu weit unten das Hochlager aufgeschlagen.
Kaffee kochen in der Selbstkochküche und Schwatz mit dem
Holländer auf der grandiosen Rooftop-Terrasse mit Wintergarten und
Freisitz mit Blick über Burg und Stadt.
Durch die frisch renovierte Altindagi Campus-Fussgängerzone und
die Altstadt hoch zur Burg. Sehr schöne
Sonnenuntergangs-Atmosphäre, viele Einheimische hocken auf den
alten Mauern, keine Touristen weit und breit. Kristallklarer Fernblick,
Vollmond, funkelnde Sterne. Wieder runter, durch den Kursulu-Park in
die ausgedehnte Flaniermeilen-Fußgängerzone. Dort herrscht
ein gewaltiges Begängnis zwischen Fluten von Cafes und
Restaurants. Lasse mich dann vom Note durch ruhige Nebenstraßen
zurück zum Hostel führen. Bis 23:30 noch ein Schwätzchen
mit dem Holländer. Den ganzen Tag in der Stadt nicht eine einzige
Wechselstube gesehen.
Sonntag, 30.09.:
7:00
raus, mit dem Holländer Kaffee kochen auf der grandiosen
Dachterrasse. 2 Stunden frühstücken und plaudern bei
kristallklarem Sonntagmorgen-Blick über Stadt und Umgebung. Metro
zum Busbahnhof, 11:00 Uhr nächster Bus nach Aksaray, laufe in der
Cafeteria in die Kaffee-Falle. Fahrt vorbei an den Salzseen, plane
die Ihlara-Aktion.
Aksaray: Busbahnhof ist ewig weit draußen, es ist heiß. Mit
einem vollen Minibus in die Stadt. Nette Atmosphäre, freundliche
und kontaktfreudige Leute. Alles topmodern. Leckeres Gebäck und
guter Tee. Nach einigen Stunden wieder raus zum Busbahnhof. Der 18:00
Uhr Bus startet schon um 17:45, komme gerade noch rechtzeitig um die
Ecke um den anfahrenden Bus noch zu stoppen. Hält dann dummerweise
noch mitten in der Stadt, wo prompt auch die meisten Leute zusteigen.
Nach Sonnenuntergang in Selime, Bus hält direkt vor der Pension,
die recht verlassen wirkt. Der Chef ist zum Glück da, kommt aus
seinem Teppichladen rüber. Ich muss handeln, um einen
vernünftigen Preis hinzubekommen. Bin der einzige Gast, aber
spät dran. Im letzten Licht der Dämmerung Runde durch den
unteren Teil des Höhlenklosters, dann durchs Dorf, muss zwischen
den Rinnsalen Slalom laufen. An der Hauptstraße 2 LM-Märkte
und 2 Teestuben, ein extrem langsames Internet-Cafe, keine
Backspace-Taste. Essen im Innenhof, Mücken noch nach 22:00 Uhr,
die Grillen zirpen in den Wüsten-Hügeln ringsum. Muss dann im
Zimmer noch ein paar Mücken erschlagen.
Montag, 1.10.:
6:10 raus,
es ist noch fast dunkel. 6:45 Start, über die zweite
(untouristische) Felsenkirche runter zum Canyon. Entlang des Uferpfads,
wird dann zu einem frisch in die Landschaft gefrästen
Bewässerungskanal. Fette Trekker-Spuren kreuzen immer wieder das
Flussbett. Es ist alles vollgekackt, Millionen von Fliegen, umgeben von
einer sehr schönen Canyonlandschaft, viele Pappeln.
Bellisirma anschauen, Cafe im Anatolia-Flussrestaurant, hinter dem
Kassen-Drehkreuz beginnt dann der urwüchsige und scheinbar gut
geschützte Teil des Canyons. Kein Trekkerspuren mehr, keine
Kuhkacke, kein Kanäle, keine gefällten Bäume mehr, sogar
Abfallkörbe gibt's. Absolut keine Touris.
Teatime im Cafe mit Campingplatz an der idyllischen
Flußschleife. Grandiose Strecke bis hoch nach Ihlara. Bis auf
eine riesige spanische Gruppe und ein paar Japaner in der Nähe der
Kirchen wieder keine Leute unterwegs.
Ihlara: Das "Derelict Star Hotel" (Lonely Planet) ist wieder offen,
Teatime am Hauptplatz, der nächste Bus nach Güzelyourth geht
erst morgen früh 8:00 Uhr, nach Aksaray geht einer 16:00 Uhr.
Schlaffe Beine heute, es ist der dritte Tag, würde sonst zu
Fuß nach Güzelyourth gehen. Teils wolkig. Eis essen. 16:00
Uhr Bus nach Aksaray oberhalb vom Canyon Rim entlang. Der Bus ist voll
mit lauter lustigen und überaus höflichen Schulkindern.
Steige diesmal in Aksaray in der Stadt aus, gehe ins Vadim Otel, ein
solides Mittelklassehaus mit eingeschweißten Hotel-Hausschuhen.
Duschen, Stadtrundgang. Rücksichtsvolle Autofahrer hier,
Döner essen. Ein Kellner fragt auf russisch. Internet, web.de
Login schlägt fehlt. Schuld ist die türkische Tastatur, nach
Alt Shift auf englisch geht's einigermassen. Supermarkt. Im Hotel wird
gebohrt und gehämmert bis 22:00 Uhr. "Otel Cappadocia" links oben
in der ersten Gasse hinterm Hauptplatz Richtung Basar!
Dienstag, 2.10.:
Wieder 6:10 raus, 6.45 Start. Minibus zum Busbahnhof vorn vom
Buswartehaus an der Kreuzung. Männer stehen im Bus prinzipiell
auf, wenn eine Frau kommt. Morgenkaffee in der Busbahnhof Locanda. Bus
nach Nevsehir, Schaffner fragt nach Endziel. Nevsehir Busbahnhof, elend
weit außerhalb. Steige aus, ein Typ will mich gleich zur Travel
Agency, angeblich kein Bus nach Göreme, wie im Lonely Planet
gewarnt. Der Typ muss dann doch zugeben, dass von der Innenstadt Busse
nach Göreme fahren und Shuttles vom Busbahnhof in die Innenstadt.
Bus-Schaffner pfeift mich wieder zurück in den Bus, der Bus
fährt über die Innenstadt von Göreme!
Göreme: Vom Busplatz ein Stück hoch in die Köse Pension, auf der
Panorama-Dachterasse in ein Dormitory der besonderen Art. Hinterm Haus
angefräste Hügel und von Bauschutt zugeschüttete Hänge, vor dem Haus
das Traumpanorama. 14:00 Uhr ein Sandsturm. Unmengen Asiaten, es ist
eine reine Touri-Stadt. Immerhin gibt's noch zwei echte Teestuben mit
Garten und ein paar kleine Supermärkte. Ausgiebiger Rundgang, schöner
Panoramahügel am Camp, aber reichlich Lärm vom Hwy nach Avanos. Abends
etwas Regen. Abendbrot bei Vollmond auf der Dachterrasse, ausgiebiger
Schwatz mit einem holländischen Studenten und Langzeit-Traveller.
Mittwoch, 3.10.:
Früh bedeckt eine Armada von Ballons den Himmel, wie Pilze steigen Sie
aus den Hügeln ringsum. Morgenkaffee in der Teestube, Minibus nach
Ürgüp. Eine nette und ganz normale Stadt. Schwatze in einer Teestube
mit einem waschechten Kommunisten, ist nach Erdogans Machtantritt ohne
Gerichtsurteil zusammen mit allen anderen Kommunisten gleich ins
Gefängnis gesteckt worden. Seine Familie ist wie viele Leute hier 1923
aus Mazedonien bei der religiösen Säuberung zwangsumgesiedelt worden.
Er meint, in Ürgüp und Avanos herrscht ein freier, offener Geist.
Ringsum gibt es nur Religion und sonst nichts. Besonders schlimm soll
es in Nevsehir sein. Das Leben in der Türkei ist sauteuer geworden, die
Löhne kommen mit den steigenden Preisen nicht mit.
Wandere
hoch zum alten Siedlungsberg, dort wird im Rahmen einer UNESCO
finanzierten Revitalisierung der historischen Siedlung der alte
Wanderpfad durch eine fette Straße ersetzt, die zu einem neuen
Luxushotel führt... Lebensmittel einkaufen, extrem leckeres Brot vom
Bäcker am Busbahnhof. 16:00 Bus nach Göreme. Duschen + Waschen, Döner
essen, Rundgang. Ein junger chilenischer "Graduate" auf dem Weg zu
einem Kongress über "Soziale Unternehmer" in Istanbul, wo er eine Rede
halten will.
Ins Hostel, der Holländer war in einer der großen
Höhlenstädte. Planung, das Wetter soll morgen früh super sein,
den ganzen Tag kein Regen. Heute gab's etliche leichte Schauer und
etwas Gewitter. Rough Guide: Eine eisenharte Preisregulierung hat den
ruinösen Wettbewerb zwischen den Hostel-Betreibern in Ürgüp beendet und
den Niedergang der Qualität und der Einkommen der Leute vor Ort
gestoppt.
Donnerstag, 4.10.:
6:30 raus,
super Wetter, die Ballons steigen auf. Morgenkaffee in der Teestube,
Bus nach Cavusin. Sehr idyllischer Aufstieg zum U-förmigen Tafelberg,
grandiose Panorama-Runde um das malerisch gelegene Zelve-Museum.
Abstieg weglos auf dem Grat Richtung Avanos. Durch endlose Vororte ins
am Fluß gelegene Zentrum, ist trotz Lage am breiten Fluß eher
langweillig, kaum Stadtzentrum, dafür eine mit Tonkrügen versehene
Gänseinsel im Fluss.
Bus nach Göreme, Rundgang, heftiger
Regen, muss in der nassen Kälte unter dem Verdeck einer Freiluftkneipe
ausharren. Ins Hostel, zeige dem Holländer wie man mit Smartphone und
OpenStreetMap auf den Tafelberg kommt, Locus als bestes Tool, auch zum
AdHoc Download der Maps. Großes Abendessen unten im Foyer, kein
Problem. Es ist saukalt geworden nach dem Regen.
Freitag, 5.10.:
6:20 raus,
wieder super Wetter und die morgendliche Ballon-Parade. Marschiere auf
kürzestem Wege Richtung Boztepe-Tafelberg-Canyons, überall starten und
landen die Ballons inkl. Sektempfang, lehne das Mittrinken dankend ab.
Bis weit in die Canyons hinein ist die Landschaft versaut mit
plattgewalzten, fussbaldfeldgroßen Ballon-Startplätzen. Die Canyons
werden weiter oben immer grandioser, Farben und Formen sind von
unerreichter Grandiosität. Über den Sunset-Point auf den Cliff Trail,
der sich spektakulär durch die Südhänge des Tafelbergs zieht. Keine
Menschenseele! Steige dann ab auf dem Bergrücken gegenüber dem Old
Village von Cavusin, tolle Blicke.
Teatime im Touri-Tal,
durchs alte Dorf zu den West-Ausläufern des Boztepe, einer phänomenal
beleuchteten Fels- und Canyonwildnis. Schildkröten Paarungsrituale
scheppern weit ins Land, 3 Männchen versuchen ein Weibchen
rumzubekommen. Noch eine Teatime im Touri-Tal. Einige Schleierwolken
verhindern einen dem Tag angemessenen Sonnenuntergang. Laufe in der
Dämmerung auf kürzestem Weg zurück nach Göreme. Essen-Rundgang,
Duschen, Hostel in Ankara reservieren, Essen, lesen, schlafen.
Samstag, 6.10.:
6:30 raus, leicht bewölkt, kaum Sonne. Packen, email lesen, Busplatz,
Ticket für 8:00 Uhr Bus nach Ankara kaufen, Morgenkaffee in der
Teestube. 8:15 Uhr Start, umsteigen in Nevsehir. Süha-Busse haben alle
Wifi, nur meiner nicht. Benzin kostet ca. 1,80-2,40 Euro. Leichte
Erkältungs-Erscheinungen. Brauche 6 Stunden bis Ankara, geplant waren
4,5. Eine halbe Stunde Stopp an der Raststätte am großen Salzsee.
Metro
zum Hostel, meine Reservierung ist angeblich nicht eingegangen, bekomme
ein Bett in 6er Dorm, ein kanadischer English Teacher, studierter
Computerwissenschaftler, ist schon drin. Seit 6 Jahren tingelt er als
Lehrer durch Asien und Nordafrika. Eltern aus Kaschmir, verbringt seine
schöne Zeit mit Video schauen auf dem Notebook, ist ausgelaugt und des
Reisens müde. Will Land kaufen in Spanien und bauen, Geld reicht aber
nicht für Resident Visa, hat nur 10000 Euro zum Investieren, braucht
als Kanadier aber 60000. Hat auch versucht in Deutschland einen Job zu
bekommen, hat aber nicht geklappt, geht jetzt zurück nach Ottawa zu
seinen Eltern. Fühlt sich schwer von Spionen verfolgt.
Dann
kommt noch ein junger Engländer mit Batman-Kostüm und heftigen
Knieproblemen, ist auf Charity-Biketour durch die Türkei nach England,
wo er mit seinem noch fehlenden Compagnon am 15.11. erwartet wird.
Kaffee trinken mit dem Kanadier auf der Dachterrasse, hat guten Kaffee
aus Berlin mitgebracht, Burgberg schön beleuchtet.
Nehme die
U-Bahn nach Ulus, kreuz und quer durch das äußerst lebendige Viertel,
teils 70er Jahre Charm, teils orientalischer Basar, oben auf dem
Plateau eine schöne neue Panorama-Fußgängerzone rings um die Moschee.
Abends dann noch eine längere Unterhaltung mit dem Kanadier, 23:30 Uhr
Ruhe. Der Samstag-Abend-Autolärm draußen ist nur mit Ohropax und
geschlossenem Fenster auszuhalten.
Sonntag, 7.10.:
7:00 raus, Sonnenaufgang hinterm Hügel, 2 Stunden lang Kaffee
trinken und Frühstücken auf der Dachterrasse. Dann ein Schwätzchen mit
meinen beiden Raumteilern, die inzwischen auch schon wach sind. Der
Kanadier will ein Flugzeug bauen für 10-20 Meter Flughöhe über der
Küstenlinie und damit auf Weltreise gehen, braucht so keine
Pilotenlizent und kostet nur 2000 Dollar. Der Engländer und ich
plädieren für ein 500$-Fahrrad... Der Kanadier hat Angst vor dem
Verlust seiner Zeugungsfähigkeit, wenn er das Fahrrad nimmt.
Duschen,
noch eine Ulus-Runde, dann durch den Park zum Havas-Bus, fährt aller 30
Minuten und ist in ebenfalls 30 Minuten draußen am Flughafen. Endlos
dehnen sich die Neubausiedlungen in alle Richtungen. Geld
zurücktauschen, 2x Teatime, dann ist auch das Kleingeld verbraucht.
Pünktlich in München.
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