Georgien Hochsommer 2012



Durch ein grandioses Land - gerade noch rechtzeitig entdeckt!
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Blick von Ushguli zur Shkhara

Blick von Ushguli zur Shkhara




Samstag, 21.07 + Sonntag, 22.07.:

Naßkaltes Sauwetter in den Alpen und nördlich davon, extreme Hitze südlich der Alpen, dazwischen nichts und keine Aussicht auf Besserung. Donnerstag abend Entscheidung für Georgien. Blitzvorbereitung.

Samstag 9:52 Uhr U-Bahn Richtung Flughafen. Stammstrecke bis Ostbahnhof gesperrt. 13:30 Abflug Richtung Istanbul. Der erste Flug meines Lebens ganz ohne Getränke oder gar Verpflegung, selbst Wasser muss gekauft werden. Istanbul Airport: 6 h Aufenthalt im Transitbereich eingesperrt, Rausgehen verboten, dazu völlig entartete Gastronomie-Preise. Große Planungsrunde. Der erste Note-Akku leert sich rapide. 23:40 Uhr Start nach Tbilissi, im Flugzeug nur eine Handvoll Touris, dafür viele NGO-Mitarbeiter und Georgier. 2:45 Uhr Ortszeit in Tbilissi. Gewaltige, noch nie an einem Flughafen-Ankunftstor gesehene Menschenmassen erwarten die zahlreich zu dieser Uhrzeit einschwebenden Flugzeuge.

400 Euro in Landeswährung am Flughafen-Geldautomaten abheben, zur Touri Info, der erste Zug in die Stadt geht erfreulicherweise schon um 4:00 Uhr. Über die Straße rüber zum nagelneuen Bahnhof, kollosal viele Fahrzeuge unterwegs. Der Fahrkartenschalter ist besetzt, man gibt mir die gleiche Info wie in der Touri-Info. Im Zug: Das Ticket kostet umgerechnet 25 Cent für 15 km, der Schaffner kann mir meinen kleinsten Schein im Gegenwert von 5 € nicht wechseln. Ich sehe später, dass man eigentlich selbst am Automaten im Zug ein Ticket ziehen muss. Fahre letztlich gratis. Der Zug ist schon extrem verschlissen und fast leer.

Ankunft in Tiflis: Der Bahnhof ist noch zu, irre mit ein paar Georgiern von einer zugeschlossenen Überführung zur nächsten ebenfalls zugeschlossenen Unterführung, bis wir endlich ganz am Ende des immens langen und total desolaten Bahnsteigs eine offene Überführung finden, die man sich wegen der zerbröselnden Beton-Treppenstufen kaum hochzugehen traut. Die Überführung landet neben dem Bahnhof auf einem kleinen Parkplatz, wo zwei Minibusse stehen. Frage gleich wohin, werde nicht verstanden, bis ich zwei Russisch-Ukrainerinnen treffe, die das Rätsel lösen: Es geht nach Mestia in Swanetien, die Busse sind schon voll, es soll aber angeblich noch einer kommen.

Beschließe, statt wie geplant mit dem Zug um 7:00 Uhr nach Borjomi zu fahren, den für Abfahrt 5:30 geplanten Minibus nach Mestia zu nehmen. Es wird ein 10-Stunden-Megatrip, noch dazu mit einem ausgesprochenen Kamikaze-Fahrer, der allerdings für häufige und großzügige Pausen sorgt. Jeder Wunsch nach Geld abheben oder Eis essen wird prompt erfüllt. Schwatz mit den beiden Ukrainerinnen, die mit ihrem perfekten Russisch überall in Georgien bestens verstanden werden.

Grandiose Laubwälder in den steilen Bergen von Zugdidi bis zur eher etwas langweiligen Mestia-Hochebene, wo es sogar ausgedehnte Fichtenplantagen gibt, seit 2 Jahren einen neuen Flughafen und seit 3 Jahren ein neues Skigebiet. Dazu laufen gewaltige Bauarbeiten, überall schießen neue Retorten-Ressorts aus dem Boden, das Zentrum ist eine einzige Baustelle. Am Ortsrand vorbei verläuft eine genauso gewaltige neue Hochspannungstrasse längs durchs Tal Richtung Ushguli. Alles in allem das ganze Gegenteil des von Swanetien Erwarteten...

Der Guide der Ukrainerinnen vermittelt mich für morgen früh an einen mit schon 4 Leuten fast vollen Jeep nach Ushguli. Ich gehe dann gleich in den Homestay vom Fahrer, darf im Garten zelten, es gibt sogar Discount. Sein kleiner Sohn Luka hilft ganz begeistert beim Aufbauen. Tolle Panorama-Lage am höchten Punkt des nördlichen Ortsrandes, mit Blick auf den Tetnuldi und diverse 4000er. Nur der Blick runter in den Ort ist nicht so erhebend.

Runter in die Stadt, Mineralwasser-Quelle im Park, Äpfel kaufen. Touri-Info: Alle Minibusse zurück ins Tal starten 5:00 Uhr und 6:00 Uhr. Es ist den ganzen Tag extrem heiß, ab 20:00 Uhr wird's etwas kühler. Aber nur etwas. 20:00 Uhr Hostel-Gemeinschaftsessen mit einem vielgereisten, frisch geschiedenen Schwaben und 3 israelischen Kibbuzim, die ausgesprochen gut drauf sind und viel vom Leben in einem modernen Kibbuz erzählen. Nach dem Essen noch ein ausgiebiger Schwatz mit dem Schwaben, der die aktuelle Entartung des deutschen Systems in Richtung Wirtschafts-Radikalismus völlig daneben findet und sofort einer Partei beitreten würde, die sich die Wiedereinführung der sozialen Marktwirtschaft auf die Fahnen geschrieben hat.

Montag, 23.07.:

8:00 Uhr Frühstück, dann zu fünft mit dem Minivan des Hauherrn nach Ushguli. Parallel zur Fahrpiste ist die Hochspannungstrasse frisch durch die grandiose Urlandschaft gefräst. Auf der wilden Holperpiste sind allerhand Jeeps, Minibusse und Jeep-Safaris unterwegs, auch zwei Reiseradler. Allerdings dürfte das Radeln bei den Staubfahnen der Motorfahrzeuge hier nicht allzuviel Spass machen.

Ushguli.: Die 3 Israelis bleiben hier und lassen sich vom Fahrer das billigste Guesthouse zeigen, wollen ab morgen in 3 Tagen die Wanderung zurück nach Mestia machen und heute noch zum Gletscher laufen. Gigantischer 
Shkhara-Blick vom Klosterhügel, das Kloster wird gerade renoviert und ist von einem weitläufigen Bauzaun umgeben. Daneben erhebt sich der offensichtlich leicht über den grasigen Grat zu besteigende Chubedishi-Panorama-Berg (3015m), die Zeit reicht aber nicht zum Hochsteigen. Dafür hätte es sich gelohnt, noch einen Tag zu bleiben.
 
Der Ort mit seinen beeindruckenden Wehrtürmen ist im Gegensatz zu Mestia noch weitgehend intakt und authentisch, nur die zwei Wellblech Guesthouses passen kaum ins Ortsbild. Schwatz mit einem holländisch-deutschen Pärchen im einzigen Cafe des Orts. Der Schwabe wird währenddessen im unteren Vorort von Einheimischen zur Party geladen und kann sich nach einigen Gläsern Wein nur mit Mühe loseisen. 16:00 Start retour nach Mestia, 19:00 da.

Schwätzchen mit der ganzen Großfamilie, Fußball mit Luka, ein Japaner kommt zum Berge-Fotografieren auf den Hof. Der Hostel-Chef und Taxi-Fahrer (und Feuerwehrmann) klärt per Handy mit seinem Taxifahrer-Freund Dscho-Dscho (der Hüne) für morgen früh ein Marschrutka direkt nach Batumi, und das erst um 7:00 Uhr! Welch ein Glücksfall. 23:00 Ruhe.

Dienstag, 24.07.:

5:50 raus, Tee von der Hausherrin, Zelt abbauen, 6:30 unten im Zentrum, 7:00 Start. Schwatz mit einem Sachsen/Berliner Pärchen und Hana, einer outdoor-begeisterten Tschechin. Letztlich landen wir in Batumi alle im Gulnasi's Guesthouse, einer ausgesprochen freundlichen Herberge im Westen der Stadt. Ich zelte wieder im Hof, in der trügerischen Hoffnung auf etwas weniger nächtliche Hitze als im Haus. Im Hof stehen schon 2 französische Zelte. Kaffee und Tee sind inkl. frischer Zubereitung inklusive! Muss mir trotzdem erst mal meinen eigenen Tee machen, geht problemlos in einer der beiden Küchen.

Ausgiebiger Stadt- und Strandrundgang, alles klebt, es ist tropisch schwülheiß, mehr Hitze und Luftfeuchtigkeit scheint kaum möglich, zum Glück ist es meist neblig / wolkig. In Batumi tobt ein gewaltiger Bauboom, alles sehr nobel, die traditionellen zweigeschossigen Häuser werden reihenweise abrasiert. Dazwischen hängt die Wäsche von den verbliebenen Sowjet-Plattenbauten, die meist mit bunten Balkon-Verblendungen verziert worden sind. Das offene Sheration Wifi strahlt noch 500 Meter im Umkreis, Internet am Strand kein Problem. Bierchen trinken und Memoiren schreiben in Straßencafe gegenüber vom Stadtpark-Eingang.

Abends im Cafe vorm Hostel noch ein längerer Schwatz mit einem kanadischen OSCE Wahlbeobachter, der besonders die Ukraine für extrem kriminell und unsicher hält. Er hält die westlichen Demokratien für von innen von Wirtschafts-Lobbyisten ausgehöhlt und Wahlen im Westen, egal wie fair, für eigentlich sinnlos, weil ja eh' die Wirtschaft die Regeln vorgibt. Er ist sehr interessiert, als ich ihm erzähle, wie Gerhard Schröder vor einigen Jahren als Trojaner der Wirtschaftsradikalen die soziale Marktwirtschaft in Deutschland beseitigt hat. Er meint, in Nordamerika ist das Gleiche schon vor vielen Jahren passiert.
Er meint, Batumi verkommt zu einem Disneyland für Millionäre, die Altstadt wird radikal abgerissen um Platz für neue Prestigebauten zu schaffen. Die Alteingesessenen können die Preise nicht zahlen und werden vertrieben.
 
Im Hostel keine Chance, mein Handy-Ladegerät in eine Steckdose zu bekommen, entweder sind die Stifte zu dünn oder die Steckdosen ausgeleiert. Um Mitternacht ins Zelt, es sind immer noch 33 Grad!

Mittwoch, 25.07.:

07:00 Uhr raus, immer noch 31 Grad im Zelt, der Boden ist das reine Magma. Die Klamotten auf der Leine sind noch genauso feucht wie gestern abend. Ausgiebig Morgen-Kaffee und Frühstück. In die Stadt, bei Geocell ein SIM-Karte kaufen mit 5 Gb Internet und Prepaid-Telefon. Dann durch etliche Läden, bis ich in der Baratasvili in einem Mini-Laden ein Stecker-Ladegerät mit dicken Kontakten finde, dass auch in ausgeleierten Steckdosen Kontakt bekommt. Dann in die Gamsakhurdia Strasse, hier ist das "echte" Stadtzentrum, ganz ohne Übertreibungen renoviert. Trinke unterwegs 2x einen Becher guten russischen Kwas, passt sehr gut bei der barbarischen Hitze. Überall in der Stadt jede Menge echte Bäcker mit guten alten Steinbacköfen, aus denen das Brot gleich rausverkauft wird.

Wandere zurück ins Hostel, überall rotieren die Bagger und Abrissbirnen. Große Wäsche. Schwatz mit 2 Schweizern, wollen auch die Südroute Richtung Vardza fahren. Die Tochter der Chefin telefoniert herum, es scheint ein direktes Marschrutki über den Pass bis nach Abastumani zu geben.
Abendspaziergang durch den Küstenpark und an der Küste entlang, sehr entspannte Atmosphäre. Heute war den ganzen Tag kein Nebel in der Stadt!
 
Spätabends trudeln Hana und Alena ein, sie wollten heute eigentlich die Burg südlich von Batumi anschauen und sind dann aus Versehen an der türkischen Grenze gelandet. Wussten nicht, dass es tatsächlich ein Marschrutki auf der Inlandsroute Richtung Abastumani/Vardza gibt und haben jetzt die durchgehende Außenroute nach Borjomi geplant.
Dann noch eine lange Unterhaltung mit einem Schweizer Lehrer, der sich schon mehrfach für 1-2 Jahre freigenommen hat, um Südamerika zu bereisen. Ist in der Schweiz überhaupt kein Problem...

Donnerstag, 26.07.:

6:00 raus, 6:40 Uhr Morgenkaffee, noch ein Schwatz mit dem Schweizer und seinem Kumpan, sie warten auf das vorbestellte Marschrutka nach Borjomi, dass am Hostel vorbeikommt. Beide haben sich beim Aufstieg zum
Shkhara-Gletscher durch dichtes Bärenklau-Gestrüpp gewühlt, ohne zu wissen, wie riskant das Zeug ist. Sie verifizieren meine Horror-Geschichten gleich per Hostel Wifi und Handy und freuen sich, dass ihnen nichts passiert ist. Um 7:00 kommt ihr Minibus.

Ich laufe zu Fuß zum Busbahnhof. Es ist gar nicht so einfach, das direkte Marschrutka nach Abastumani zu finden, weil es fahren etliche, aber alle außen rum. Heute ist der heißeste und feuchteste Morgen, seit ich in Georgien bin, ich klebe von Kopf bis Fuß. Im Bus gibt es nicht einen Touri. Dafür einen georgischen Schiffsmaschinen-Ingenieur auf der Reise nach Hause, er wohnt in Abastumani. Wegen der Krise hat seine Reederei keine Arbeit, deshalb kann er endlich mal Zeit mit seiner Familie verbringen, die ihm sonst sehr fehlt. Zufrieden ist er aber nicht, weil jetzt fehlt das Geld. Er will unbedingt, dass ich heute im Ort bleibe und nicht gleich nach Vardza weiter reise. Ich bin mir erst noch nicht ganz sicher, beschliesse dann aber ziemlich schnell, dass es sich lohnt, noch einen Tag in diesem freundlichen Kurort zu bleiben.

Er zeigt mir gleich den besten Bäcker von Abastumani, das Brot ist tatsächlich erstklassig. Dann zeigt er mir noch den Lift hoch auf den Berg zu den Observatorien und stellt mir seine Frau vor, die ihn mit dem Wagen abholen kommt. Ich erzähle ihm von der Camping Offerte des Observatoriums, die ich im Internet gefunden habe. Er klärt den nächsten Lift, der geht in wenigen Minuten, insgesamt gehen 5 Lifte pro Tag. Ich düse gleich hin, nachdem ich schnell noch Tomaten, Äpfel und Gurke gekauft habe. Zum Glück gibt's in Georgien Lebensmittel, Obst und Gemüse an jeder Ecke.

Im Lift-Warteraum erklärt mir eine nette Georgierin, die mit 2 Kindern hier auf Luftkur-Urlaub ist, die Lage, vor allem die Regeln zum Besuch des Observatoriums, das umgerechnet 10 Euro alleine kostet und ab einer Gruppe von 5 Leuten nur noch 2 Euro pro Person. Sie meint, dass es im Moment besonders heiß ist in Georgien, so eine Hitzewelle gibt es jedes Jahr im Hochsommer, sie dauert meist ca. 2 Wochen und ich bin genau während dieser Zeit gekommen. Außerdem meint sie, daß Georgien  in einer großen und endlosen Krise steckt.
Sie bildet nach der Auffahrt auf den Berg (mit einer nostalgischen Mini-Gondel aus Stalins Zeiten) gleich eine Gruppe von mit mir 5 Leuten und macht einen Termin für die Besichtigung aus, abends um 21:00 Uhr soll es losgehen, Treffpunkt ist vor dem frisch von USAID renovierten 40 cm Refraktor.

Ein Ranger schafft mich zum Chef der Anlage, der mir den Obulus fürs Zelten abknöpft. Anschließend zeigt er mir den Zeltplatz, ein Stück Wildnis vor einem malerisch zugewucherten alten Mini-Observatorium. Zelt aufbauen, Rundgang durch das dicht bewaldete Gelände, weiträumig verstreut mit alten Observatorien bestanden. Dazu am Rand einige Wohnhäuser und viele Kinder, ein Hotel und das Verwaltungsgebäude.

21:00 Uhr Treffen am renovierten Observatorium, die Batumierin bringt mir einen Riesen-Beutel mit Essen, "weil ich am Abend den Dining Room nicht gefunden habe". Es herrscht allerhand Andrang am Observatorium, Einlass in Gruppen von ca. 10 Leuten. Dann den Mond und den Saturn mit seinen Ringen anschauen.

Freitag, 27.06.:

6:40 Uhr raus, abbauen, den gestern mitgebrachten leckeren Bohneneintopf auf der Treppe des Zeltplatz-Observatoriums verspeisen, dazu Brot, ein Riesen-Klumpen einer Art Tofu, 2 Pfirsiche, Tomaten, Gurke, selbst an Salz haben sie gedacht. Das Geschirr an der Pforte abgeben, 8:15 Uhr mit dem ersten Lift runter, unten erster Versuch, Kaffee zu trinken. Ist aber Nescafe, geht gleich zurück, stattdessen kommt dann ein dünner aber echter Kaffee.

9:00 Minibus nach Akhaltsikhe, von  dort gleich weiter nach Vardzia durch eine anatolisch wilde und trockene Gegend. Noch einen richtig guten türkischen Kaffee im Restaurant, Rucksack am Tresen abgeben, Start zum Höhlenkloster-Aufstieg. Am Beginn der Runde kommen mir A&H entgegen, die gerade mit der Besichtigung fertig sind und mich gleich in ihr Reisebüro-Marschrutka einladen für die Weiterfahrt nach Borjomi. Passt bestens, drehe eine Runde durch die krachheiße Südwand. Es sind allerhand Touris unterwegs, meist Georgier, dazu etliche Franzosen.

Treffen mit der Busbesatzung im Freisitz-Restaurant am anderen Ufer, außer A&H noch ein deutsches Pärchen aus Offenburg + Jena. Leckerer Imbiß, Start nach Borjomi, unterwegs noch zwei Abstecher zu schön in Seitentälern gelegenen Klöstern. In Borjomi mit A&H in Marina's Guesthouse, komme in ein geräumiges 5-Bett Zimmer mit einem polnischen Pärchen, beide Anhänger des Mittelalterkults. Sie ist Lehrerin und will nie wieder so eine Reise machen, wo man ständig das Quartier wechselt und schon gar nicht mehr in so ein wildes Land.

Erst Kaffe trinken in Marinas geräumiger Küche, A&H kochen frisch gekauften georgischen Kaffee nach türkischer Art. Ziehen dann alle zusammen in den schön gelegenen Mineralwasser-Park, wo eine angenehme, relaxt-mediterrane Flanier-Atmosphäre herrscht. A&H kennen schon von gestern den idyllisch gelegenen Badepool am oberen Ende des Parks, das Wasser hat 30 Grad, die Polin bewacht die Sachen während wir baden. Nach und nach trudeln immer mehr junge Georgier mit Zelten und Isomatten ein, man darf an diesem idyllische Fleck fast kostenlos zelten, nur ein paar Cent Park-Eintritt sind unten fällig.
Danach im Dunkeln wieder runter, unten im Park auf dem Basar verkosten wir noch ein paar ungewöhnliche Bauern-Produkte, darunter eine Marmelade mit Kiefern-Teilen und etwas völlig Undefinierbares, der Pole muss als Foto-Model bei der Verkostung herhalten. Dann noch in die nächste Gaststätte Kinkalis essen und georgischen Wein trinken, 0:30 ins Bett.

Samstag, 28.07.:

Habe erbärmlich schlecht geschlafen, den beiden Polen geht's genauso. 7:00 Aufstehen, duschen, packen, ausgiebiges Hostel-Frühstück mit der ganzen Runde. Mit A&H Start zu einer Halbtagestour, erst per Taxi zum Nationalpark-Office, da ist aber gerade keiner da, der irgendwas sagen oder registrieren könnte. Ein ansonsten anhnungsloser Mitarbeiter führt uns aber ins Büro, wo wir uns ein paar Landkarten mitnehmen können. Dann ziehen wir los, erst auf einem gut ausgetretenen und sogar markierten Wanderweg, dann ist irgendwann Schluss und wir ziehen weglos den Berg nach oben. Landen nach einem wilden Steilabstieg in einem Gehöft am Ortsrand unweit vom Zentrum, drinnen läuft lautstark das Fernsehen, sie hören und sehen uns nicht.

Ins Hostel, Alena präpariert noch einen türkischen Kaffee, dann Verabschiedung von Marina und zum Bahnhof gleich um die Ecke. Mit einem relativ gepflegten Breitwagen-Elektritschni geht es Richtung Tbilissi durch die schöne Urwald-Bergwelt im NO von Borjomi. An den Haltestellen läuft das volle Vollverpflegungsprogramm der fliegenden Händlerinnen. Ab 17:30 Uhr zieht es gewittermäßig zu über den Bergen, dann noch ein schöner Sonnenuntergang. Planung: Will eigentlich morgen früh gleich weiter zum Kazbeg, aber alle Wetterberichte zeigen in den Kaukasus-Bergen nasskaltes Gewitterwetter mindestens bis Dienstag und richtig gutes Wetter nur im Flachland von Tbilissi bis ans Meer.

Vom Hauptbahnhof Tbilissi durch trübe Gassen zu Irinas Guesthouse, vorher erstehen wir noch eine Flasche guten georgischen Rotwein in einem der vielen Lebensmittel-Läden am Weg. Dann im urgemütlichen Hostel Wein trinken auf dem Minibalkon mit spektakulärem Nachtblick auf Riesenrad und Fernsehturm-Feuerwerk. Aircon in allen Räumen!
Zwei US-amerikanische Englisch-Lehrer aus Telavi, waren zuvor zuhause arbeitslos, erzählen von der Unwetterkatastrophe in Kalkhetta am 19.07., der Strom in der Region ist noch immer weg, soll noch ca. 2 Tage dauern, bis alles wieder ok ist. Hinter der Küche gibt's noch einen großen Balkon, da steht an der frischen Luft ein Doppelstockbett in dem schon zwei bärtige Traveller-Urgesteine schlafen.

Sonntag, 29.07.:

Morgen-Kaffee mit A&H, die heute nach Davit Gareja an die aserbaidshanische Grenze wollen. Ich ziehe den ganzen Tag durch Tbilissi: Über die Brücke rüber Richtung Rustaveli, durch die Altstadt, hoch zum Business Center. Dort verjagt man mich, als ich im Schatten ein Siesta-Nickerchen mache. Weiter hoch zur Burg, wo es endlich mal ein paar Touristen zu sehen gibt. Schwatz mit einem deutsch-georgischen Ehepaar, die schon zum zehnten Mal gemeinsam nach Georgien verreist sind. Runter in die Schlucht zum schönen Botanischen Garten mit seinem gut besuchten Wasserfall-Badepool, nicht im Lonely Planet erwähnt!

Durch das kleine Stück renovierte Altstadt an der Always Bridge mit den teuren Cafes, über die Brücke, den Flohmarkt und zurück ins Hostel zum Duschen und Klamotten waschen. Finde am Bauch eine Zecke, wahrscheinlich von der Wildnis-Wanderung gestern. Dann noch eine ausgiebige Runde über die schön renovierte Avenue mit den vielen türkischen Gaststätten.

Ins Hostel, für Morgen mit A&H eine Tour nach Msketha absprechen. Beide sind ganz begeistert von der grandiosen Wüstenlandschaft von Davit Gareja. Dann noch eine längere Spätabends-Küchen-Unterhaltung mit einem polnischen Real Estate Manager und Hanna. Der Pole arbeitet hier in Tbilissi für die Londoner Niederlassung einer indischen Gesellschaft. Zieht morgen aus dem Hostel aus und zusammen mit einer iranischen Mitarbeiterin seiner Firma in eine angemietete Wohnung. War in Summe schon 7 Monate hier in Tbilissi.

Montag, 30.07.:

07:30 raus, zur U-Bahn Didube, ein Taxi-Fahrer fängt uns vor dem Erreichen des Marshrutkas ab und offeriert uns eine Fahrt nach Msketha für sagenhafte 5 Lari. Wir willigen ein. Unterwegs will er uns noch 1000 kostenpflichtige Abstecher aufschwatzen. Als wir nicht mitspielen wollen, erweist er sich als schlechter Verlierer und lässt uns schon weit vor dem Stadtzentrum aus dem Taxi aussteigen, wie wir später festellen.

Kaffee trinken im Zentrum, die große Kirche anschauen, in der Stadtinfo Wegbeschreibung zur heiligen Kirche auf dem Berg abholen. Dann am Flußufer den Weg zur Brücke suchen, den mörderischen Highway überqueren und den Aufstieg suchen. Finden nach 2/3 des steilen Aufstiegs in einem schattigen Mini-Wäldchen eine kleine Kapelle mit Quelle und Mini-Haus. Dazwischen ein Heiliger Mann, der vor 6 Jahren zum ersten Mal hier war und an diesem Tag wiedergeborgen wurde. Seither kommt er jeden Tag von Tbilissi um hier alles zu pflegen, manchmal schläft er auch hier. Er erzählt einen Haufen Sachen, der 3. Weltkrieg wird kommen, Georgien wird als erstes Land aus dem Trümmern auferstehen. Er bringt Brot, Tomaten und Salz und lässt nicht locker, bis wir alles aufgegessen haben.

Schlußaufstieg, die Kirche und das weite Panorama anschauen, Unterhaltung mit ein paar Leuten von der EUMM (EU Monitoring Mission), die gerade mit ihrem Dienst-SUV hier oben zu Besuch sind. Einer ist vom schwedischen Militär abgeordnet, er erzählt, ihr Job ist das Rapportieren von Grenzproblemen, um Streitigkeiten bezeiten erkennen und beilegen zu können. Alternativer Abstieg vom Pass ein Stück nördlich vom Kirchhügel, erst ein bequemer Hohlweg, dann wieder über den Highway und die Brücke, dann erst ein großes Brombeer-Essen und dann noch ein ausgiebiges und ausgesprochen leckeres Essen im Zentrum draußen vor der Gaststätte gegenüber dem großen Kirchplatz. Dort läuft gerade eine original albanische Trauung, in der Gaststätte schreit lautstark ein Baby.

Wollen dann mit dem Marschrutka zurück nach Tbilissi, das was kommt, ist aber schon voll, weil es nicht hier eingesetzt wird und es gerade 19:00 Uhr ist, wo alles voll ist, wie uns eine Frau an der Haltestelle erklärt. Schließlich bringt uns einer aus der Familie des Präsidenten (!) mit seinem PKW bis zur U-Bahn am Hostel. Bietet uns gleich noch eines von seinen 2 Häusern in Msketha an, wir sollen darin wohnen, weil er es gerade nicht braucht. Er meint, Tbilissi ist doch nur ein Loch und keine Stadt zum Wohnen.

Duschen, dann noch eine Abendrunde über die Avenue. Wetterberichte studieren: Am Kazbeg immer noch Regen angesagt bis mindestens Dienstag abend, ich brauche einen neuen Plan. Mc. Donalds hat den einzigen Freisitz am großen Platz, also kaufe ich mir einen Burger und schreibe meine Memoiren. Die kleinen Geschäfte am Weg zum Hostel haben offen bis 22:00 Uhr.

Dienstag, 31.07.:

Beizeiten raus, runter zum Platz ins Cafe, einen Cappucino trinken und einen neuen Plan machen. Dann zurück ins Hostel, Sachen packen, noch eine Teatime, A&H verabschieden, dann die U-Bahn nach "Samgori" nehmen, von dort ein Marshrutka nach Sinaghi. Beim Warten auf die Abfahrt Anruf bei David Zandarashvili, hat kein Bett mehr frei, vermittelt mich an seinen Bruder. Der Bus ist voller Franzosen, ich lese Zeitung, Swanetien soll auf Präsidenten-Befehl zur Schweiz Georgiens ausgebaut werden, ein Highway hoch nach Ushguli ist schon in Planung.

Ankunft in der Stadt auf dem Sinaghi-Berg, Top Lage mit weitem Panorama-Blick. Anruf bei David, sein Bruder holt mich mit dem Wagen ab. Teatime auf dem schönen kühlen Nord-Balkon. Ich lade die Chefin des Hauses auf einen guten, frisch in Tbilissi gekauften türkischen Kaffee ein, sie ist sehr zufrieden und will gleich wissen, woher ich den habe und wieviel er kostet. Auch das Hostel ist voller Franzosen, Sinaghi ist halt vor allem ein Kulturziel...

Mache einen langen Rundgang durch die schöne Stadt und entlang der Stadtmauer bis zum wilden Friedhof über dem u.a. von der GTZ renovierten Schlucht-Park. Treffe im Stadtzentrum erst das deutsch-holländische Pärchen aus dem Cafe in Ushguli, dann noch das polnische Mittelalter-Pärchen aus Borjomi, mit denen ich gleich noch Wein trinken soll. Beide sind wie A&H ganz begeistert von Davit Gareja, da habe ich wohl doch was verpasst. Nach einem Bierchen in der relaxten Flanier-Atmosphäre des kleinen Stadtparks bin ich jetzt ziemlich müde und ziehe in die Herberge, wo die Franzosen im Essenraum  noch lange Lärm machen; ich wohne ausgerechnet über dem Essen- und Fernsehraum...

Mittwoch, 01.08.:

Ziemlich lange im Bett, Kaffee trinken, 9:45 Uhr mit dem ersten Marshrutka runter vom Berg nach Tsnori, Kachapuri aus der Bäckerei holen und an der Marshrutka-Kreuzung auf den Bus nach Lagodekhi warten, nebenbei mit den Taxi-Fahrern einen Schwatz halten.  11:00 Uhr Start nach Lagodekhi, an Touris ist nur noch ein holländisches Pärchen auf dem Weg nach Aserbaidshan im Bus.

Lagodekhi: Kompliziertes Durchfragen zum Lile-Hotel, niemand kennt das Hotel oder den Namen der Straße. Eine Frau, die mit ihrer Tochter im Garten hockt, gibt dann den entscheidenden Tipp. Sie wollen, dass  ich sie nach Deutschland mitnehme, weil es hier so öde ist. Das freundliche Hotel an der Straße zum rechten Park-Nebeneingang ist absolut leer, die große Terrasse ist mit Kiwi-Reben statt Wein überdeckt, der Chef betreibt am Hotel-Eingang noch einen Lebensmittel-Laden mit Brot, Obst und Gemüse.
Ich will eigentlich gleich loswandern und nur noch einen Tee trinken. Werde sofort am großen Familientisch plaziert, wo gerade das volle Mittagessen-Programm läuft. Man versorgt mich bei der Gelegenheit mit reichlich Kostproben der leckeren georgischen Hausmannkost. Abendessen-Order für 21:00 Uhr.

Zum Visitor Center, für die Wanderung registrieren, Statistik-Fragebogen ausfüllen, die Rangerin spricht sogar deutsch, bekomme eine Notfall-Handynummer und für spätere Nachfragen eine email-Adresse. Man verleiht für die Mehrtagesrunde Zelte, Schlafsäcke und Isomatten. Frage nach dem optimalen Zeitpunkt für die Laubfärbung, ist E09/A10, schwankt aber, soll vorher anrufen oder email schicken. Starte dann durch das urwüchsige Flusstal zum kleinen Wasserfall, treffe unterwegs zwei georgische Jugendgruppen und zwei Berlinerinnen, die im Visitor Center übernachten. Die Berlinerinnen haben am Wasserfall zwei Riesen-Plastikbeutel mit Müll und Plastikflaschen eingesammelt.
Gehe zum Park-Haupteingang wieder raus, draußen stehen die Ranger Pickups, laufe die Hauptstraße runter, die Spitzen der Berge hängen in dunklen Wolken, nicht nur am Kazbeg. Die nächste Querstraße zu meiner Straße kommt erst nach zwei Kilometern, in der Nähe des Parks mit den großen steinernen Heldenfiguren.

Gewaltiges Dinner auf der Kiwi-Terrasse mit Bergen an Kartoffeln, Brot, Käse, Hühnchen, scharfer Soße, Auberginen, Tomatensalat und Melone. Bin der einzige Gast! Ein Monster-Nachtfalter ist unterwegs. Die ganze Großfamilie ist damit beschäftigt, sich ums Baby zu kümmern. Ein Schwalbennest mit Jungen auf der Essen-Terrasse, regelmässig großes Geschrei, wenn das frische Futter angeflogen kommt.
In den Betten nagen lautstark die Holzwürmer.

Donnerstag, 02.08.:

F
rüh nur 25 Grad im Raum! Laufe die lange Straße runter, setze mich in die Gaststätte am Bushalt. Man greift nach meiner Kaffee-Bestellung routiniert zur Nescafe-Dose und schüttet auch gleich einen Berg Zucker in die Tasse. Lasse den Zucker wieder zurück schütten und versuche den Leuten klarzumachen, dass ich Kaffee will und keinen Nescafe, was offensichtlich schwer zu begreifen ist. Erst nachdem ich meinen eigenen Kaffee aus dem Rucksack hole und den Chef dran riechen lasse, meint er, "Aah, Kava!". Da sie so was nicht haben, sage ich Ihnen, dass Sie meinen nehmen und einfach kochendes Wasser drüber schütten sollen. Was dann auch passiert. Muss dann am Ende nicht mal was dafür bezahlen.

9:00 Uhr mit dem Telavi-Bus auf der selten befahrenen Nordroute in 1,5h nach Kvareli entlang der 3000er Dschungelberg-Kette, dicht bewaldet bis runter ins Flachland. In Kvareli tobt der Rekonstruktions-Boom am Straßen-Netz und rings ums Fort. Es ist wieder mal extrem heiß heute. Zur nagelneuen, luxuriösen, mit 2 Leuten besetzten Stadtinfo. Zimmer ist kein Problem, Touris gibt's hier scheinbar keine. Auf Nachfrage empfiehlt der gut englisch sprechende Typ ganz begeistert den Ilja Lake zum Zelten, gibt aber eine Vipern Warnung und meint, weiter oben am Fluss ist das Zelten noch besser.

Lasse den Rucksack erst mal in der Stadtinfo, drehe eine Runde durch den Ort. 
Kvareli ist eine breit- und lang-gezogene Siedlung wie Lagodekhi. Gaststätten oder Cafes gibt's hier keine, nur kleine Läden mit Bierverkauf, wo sich die Bauarbeiter verpflegen. Finde dann Richtung südlicher Ortsausgang einen Tankstellen-Supermarkt-Komplex mit Espressobar. Ein Händler lässt nicht zu, dass ich meinen Tomaten- und Gurken-Einkauf bezahle.

Siesta im Schatten des kleinen Stadtparks. Besuch der Legebatterie-Toilette im Kulturhaus, das Gemüse-Abwaschen erregt den Verdacht des Pförtners. Rucksack holen, man erzählt mir, dass Kvareli heute die höchsten Temperaturen von ganz Georgien hat und dass es in den hohen Bergen noch regnet. Start zum Ilja-Lake, einer Empfehlung aus dem Kvareli-Prospekt vom Guesthouse in Signaghi und vor allem von der Herbergs-Chefin in Lagodekhi. Entpuppt sich dann als gut besuchter und idyllisch am Fuß der Dschungelberge gelegener Bade-Stausee. Drüber thront in den Bergen ein gewaltiger, burgartiger Neubau, noch im Rohbau-Stadium. Nehme erst mal ein ausgiebiges Bad in dem locker 30 Grad warmen Wasser.

Wandern bis zum Ende des Erdwalls, Fluß-Überquerung, nehme einen Pfad bergwärts weg vom Fluß. Zelte auf einer Wiese unweit einer alten, frisch freigeschlagenen Ruine. Nächtliches Dschungelkonzert bei Vollmond und schön beleuchtetem Bergkessel.

Freitag, 03.08.:

5:45 Uhr Wecken durch viele Stimmen, das Archäologen-Team ist zur Arbeit eingetroffen. Zurück über den Fluss zum Ort,  Nehme den nächsten Bus nach Tbilissi, ein Opi versorgt mich im Bus mit Pfirsichen und Tomaten. Komme in Tbilissi Isani an, trinke einen vorzüglichen türkischen Kaffee, kaufe ein Brot, fahre zur U-Bahn Didube, nehme von dort den 12:00 Uhr Bus nach Kazbegi. Kriege einen ausgesprochen blöden Platz im Bus, zwar am Fenster, aber eingequetscht in der letzten Reihe, die höher angeordnet ist und wo man trotz Verrenkungen kaum ein Chance hat, was zu sehen.

Kazbegi: Wettrennen der Herbergs-Mütter um die paar angekommenen Touris, ich lande im Nana Guesthouse, 50 m den Berg hoch vom Busplatz. Außer mir scheint niemand im Hostel zu sein. Angenehme Atmospähre im Ort, nicht überlaufen, der Kazbeg hängt noch dicht in Wolken. Gute MTB's im Verleih. Espresso am Mountain House Kiosk. Info dass der Kazbeg frühmorgens regelmäßig zu sehen ist.
Die Taxifahrer wollen mir eine Fahrt zur Dariani-Schlucht an der russischen Grenze aufschwatzen.
Zum Glück entscheide ich mich für eine kleine Wanderung hoch zum Fuß der bunten, schön beleuchteten 4000er Kette auf der dem Kazbeg gegenüber liegenden Seite des Orts. Man kann schon bald sehen, dass die Schlucht mit einer dicken Nebelsuppe gefüllt ist...

Finde oberhalb des Wäldchens in phänomenaler Panorama-Lage ein Kloster mit jungen Männern mit Bärten und Hüten. Noch besser wird's am Rand des Canyons: Vor mir die grandios beleuchteten bizarren Steilwände der 4000er-Kette, umgeben von sattgrünen Matten, darunter der wilde Canyon und hinter mir der gigantische Kasbek mit seinem Gletscher-Gipfel in den Wolken. Sehr lange Brotzeit am Rand der Schlucht, bis die Sonne hinter den Kasbek-Wolken verschwindet.

Abstieg am Schluchtrand, weiter unten dann Zäune, eine Pipeline-Brücke über die Schlucht, dann ein Neubau-Trumm, dass mir den Weg versperrt. Finde eine alternative Route durch den Hintereingang des von Wildblumen dicht bewachsenen Friedhofs.
Im Ort in einem der Cafes Kartoffel-Kinkalis bestellen, muss mindestens 5 nehmen, damit sich die Arbeit für die Köchin lohnt. Es 
ist Freitag abend, aber es gibt mehr Cafes als Touris,vielleicht wegen des schlechten Wetters während der letzten Tage. Die meisten Touris hocken im teuersten aller Cafes direkt am Bushalt.

Samstag, 03.08 + Sonntag, 04.08.:

Nachts weckt mich wieder mal eine Katze, die durchs leicht geöffnete Fenster unter der Gardine hindurch aufs Bett springt. Genau wie in Sinaghi. 6:30 raus, glasklarer Kasbek-Blick! Gebe Gas und starte wenige Minuten später den Aufstieg Richtung Kasbek-Kirche. Bin nach gut einer Stunde oben, bei stahlblauem Himmel und einem grandiosen Blick auf die bunten und vergletscherten Vulkan-Abhänge des Kasbek.

Hinter der Kirche zieht sich Richtung Kasbek eine Riesen-Wiese, auf der sich etliche Zelte verlieren, die alle von Osteuropäern bewohnt sind. Am Beginn der Wiese stehen zwei blaue Dixie-Toiletten, am Fuß der Kirche sprudelt eine Quelle. Drehe eine Runde bis zum Ende der Wiese und retour zur Kirche. Hier hat sich in der Zwischenzeit schon allerhand Touri-Volk auf Wochenend-Tour eingefunden, meist motorisiert. Abstieg auf einer alternativen Route, die ein Stück weiter nördlich unten ankommt.

Unten noch ein Espresso am Mountain House Kiosk, ins Hostel, packen und zahlen. Schwatz mit einer Tirolerin aus Wien, die von der Tochter des Hauses nach Georgien eingeladen worden ist. Ist eigentlich durch und durch Bergsteigerin, nur ihre Freundin nicht... Will aber heute wenigstens noch eine kleine Tour machen, wo die Freundin mitkommen kann. Empfehle ihr gleich meine beiden kleinen Minitouren, wird dankbar aufgenommen. Unterhalten uns über die grandiose georgische Natur und den erstaunlich guten Zustand der schönen alten Wälder. Sie hat auch schon den beginnenden Niedergang Swanetiens gesehen. Sind uns einig, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Geldgier auch hier anfängt, alles kaputt zu machen.

Runter zum Busplatz, Eis essen, heute gleich einen guten Platz im nächsten Bus sichern und dann noch einen leckeren Espresso am Mountain House. Ein Brot kaufen vom Bäcker im Keller unter dem teuren Cafe. Sehe am Bus den schwedischen EUMM-Militär wieder, heute mit einem eher zivilen Wagen mit Spezial-Kennzeichen, er fragt sich durch nach dem nächsten Geldautomaten, den es hier nicht gibt.
12:30 Abfahrt, bei Gudauri kurz vor dem Bus-Hwy-Stopp an der großen Schlucht ein Schild über den baldigen Baustart eines  Hydropower-Projekts in der Schlucht. Da kommen in der Erinnerung gleich wieder die Bilder vom Niedergang der türkischen Kackar-Region hoch.

15:00 Ankunft in Tbilissi Didube, es ist krachheiß. U-Bahn zum Bahnhof. Auskunft am Auskunfts-Telefon: Letzter Zug zum Bahnhof ist 17:20 Uhr. Gepäckaufbewahrung gibt's auch keine im tollen neuen Bahnhof, der wie bei uns die neuen Bahnhöfe in erster Linie eine fette Shopping Mall mit Gleis-Anschluß ist.
Mit der nächsten U-Bahn ins Hostel, Rucksack unterm Tisch deponieren, bekomme gleich noch ein Service Angebot von der Chefin, für 3 Lari duschen. Schwatz mit einem Polen, der mit seiner Gruppe für 2:15 Uhr zwei Taxis zum Hostel bestellt hat, wo noch 2 Plätze frei sind. Ich soll mitkommen. Frage ihn, ob das nicht etwas knapp ist, wenn sein Flieger um 04:15 Uhr abhebt, aber er sieht das nicht so.

Drehe noch eine Runde durch die Stadt, zuerst auf der Hostelseite des Flusses zur neuen Kathedrale mit ihrer ganz besonderen Happening-Atmosphäre. Komme dann in einen Gottesdienst eines offensichtlich wichtigen Würdenträgers, der mit 3 Staatskarossen vorgefahren kommt während die Kirchenglocken in der Umgebung Sturm läuten.

Noch eine Runde durch die Gegend unter der Burg und dann Richtung Fernsehturm-Berg. Nächtlicher Aufstieg auf den Mt. Mtsminda, oben den Vergnügungspark und den TV-Turm anschauen, man kann aber nicht hoch auf den Turm, dafür ist er spektakulär beleuchtet. Das nächtliche Lichtermeer von Tbilissi hält sich in Grenzen, man sollte 2 Stunden vor Sonnenuntergang hochkommen und dann zum Fotografieren ins Riesenrad steigen, damit man über die Bäume kommt. Von den Geländern am Rand des Parks bei der gerade wegen Renovierung geschlossenen Bergbahn gibt es aber auch so einen ganz guten Überblick über die Stadt.

Mit dem 90er Bus runter in die Stadt, ein kleines 0.33er Bierchen im Supermarkt kaufen, ist ein echter Glücksfund im Land der praktischen 2-3 Liter Bierflaschen. Laufe dann rüber zum Hostel, es ist Mitternacht und kein Pole im Hostel. Die Chefin schläft schon und die Tochter weiß nichts von den Polen und ihren Taxis.
Ich hocke dann zusammen mit Irinas Vater in der Küche und wir stoßen an auf Frieden und Freundschaft. Er ist hier im Hause geboren und genehmigt sich jeden Tag 2,5-3 Liter von seinem geliebten georgischen Rotwein. Von Wodka hält er nichts, weil der ist nicht so natürlich wie Rotwein und außerdem kommt er von den Russen...
 
Ich ziehe 1:40 Uhr los Richtung U-Bahn und fahre mit dem nächsten Taxi zum Flughafen. Röntgen-Kontrolle gleich am Eingang der Abflughalle. Einchecken bei Pegasus, dann noch etwas Herumlaufen. Die Kunstgrasinseln mit ihren kleinen Bäumchen sind gut bestückt mit schlafenden Reisenden. Zweite Röntgenkontrolle direkt vor dem Einlass am Gate, muss schnell noch mein Wasser austrinken, dahinter gibts dann keine Chance nachzufüllen... 4:40 Uhr Start nach Istanbul. 

Dann wieder etliche Stunden abhängen im Istanbuler Transitbereich, am Gate hocken reichlich türkische Pilger. In weiße ausgefranste Tücher gehüllt warten sie auf ihren Flug nach Jeddah. Bin am Ende pünktlich in München und decke mich beim Edeka mit etwas Essbarem ein. Ein freundlicher Mensch schenkt mir noch einen unbenutzten Gruppen-Fahrschein, mit dem ich nach Hause fahre. Eine grandiose Reise ist zu Ende.


 
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