Ostalpen 2003
 


Eine landschaftliche großartige Hike und Bike Tour durch die östlichen Kalkalpen voller gegensätzlicher Eindrücke. Mensch und Natur im Würgegriff spätfeudaler Zustände. Radlerfeindlichkeit der übelsten Sorte.


Freitag, 16.August:
Vorläufiges Ende der Hitzewelle: Ich muss nachts aufstehen und wegen wilder Gewitterstürme die Fenster schließen. Es regnet fast den ganzen Tag. Wir kommen schwer ins Grübeln mit unserem Ostalpen-Plan und beschließen die Abruzzen, 20.35 Abfahrt mit dem Nachtzug. Am späten Nachmittag dann Wetterbesserung und eine bessere AV-Wetterprognose. Weiter Hitze-Welle in Italien, extreme Gewitter in Slowenien und den Südlichen Karnischen. Beschließen jetzt endgültig morgen früh nach Reichraming ins Hintergebirge zu fahren.

Samstag, 17. August:
5.40 raus, 6.45 zum Bahnhof. 7.15 da. Reichraming gibt’s nur als Auskunft, aber Ticket nur bis Linz. Unsere tolle Bahn. Rad verpacken, schön leerer Zug bis Salzburg, IC mit großen Sperrgepäck-Fächern am Eingang. Verspätung in Salzburg. Schaffen mit Mühe und Not den Zug nach Linz am anderen Ende des Bahnhofs. Kaufen in Linz das Ticket bis Reichraming, sauteuer ohne Rabatt.

13.15 in Reichraming, heiß. Räder aufbauen, auf dem Radweg ins Hintergebirge. Erster Stop am Cafe bei der NP-Infostelle. Eis mit Schlag im Schatten. Am Fluß gleichmäßig steigend in die Berge, alte Schienenstrecke aus Kahlschlag-Zeiten. Erst Asphalt, dann Radweg. Erster Kontakt mit den Radler-Feinden: Eine Stunde vor bis zwei Stunden nach Sonnenaufgang ist Radfahren verboten auf dem Radweg ! Da fallen mir doch gleich die Jäger ein ... Links und rechts vom Radweg ist auf den meisten Forststraßen das Radfahren verboten. Wo sind wir hier hingeraten ! Dagegen war die Ostblock-Diktaturen ein Hort der Freiheit. Den ganzen Tag Radfahrermassen auf diesem isolierten Radweg.

Baden im kristallklaren Fluß. Biwak auf der anderen Seite des Flusses, mecklenburgmäßig am höhergelegenen Ufer auf einer ebenen Stelle im Wald.   

Sonntag, 18. August:
7.00 raus, Frühstück mit schönem Blick am Radweg unten am Fluß. Hoch bis zum Klettersteig-Einstieg, parken die Räder mit der grünen Folie gut getarnt im alten Tunnel. Über den A.-Steg links hoch. Teatime mit Blick auf Sengseng und Hintergebirge. Weiter zur Alm und am Bach über tolle und eiskalte Gumpen auf einem urigen Steig und rumänienhafte Landschaft zum anderen Ende des Klettersteiges. Abschließendes Gumpenbad unter Canyoning-Aktivitäten.

Dann der tatsächlich anspruchsvolle Klettersteig durch eine tolle Schlucht mit erstklassigen Bade-Möglichkeiten. Sind nach 1,5 Stunden auf der anderen Seite. Bikes beladen, durch 2 Tunnel, dann rechts die (natürlich für Fahrräder verbotene) Straße Richtung Windischgarsten über die Brücke. Vor dem Tunnel rechts runter zum Bach. Angelas Bike macht sich bergab selbständig.  Hinter zur Flussbiegung. Mitten im Canyon, unter Bäumen direkt am Wasser ein erstklassiger Biwakplatz inklusive Feuerstelle mit Sitzbalken. Mehr geht nicht !
Sternenklar, 22.00 Uhr, 18 Grad.

Montag, 19. August:
Ausschlafen, 9.00 raus, halb elf los. Baden am Schleierfall, dem Klettersteig-Einstieg von gestern. Es ist krachheiß. Über den Paß nach Unterlaussa. Ruhige Straße nach St. Gallen. Einkaufen bei Plus, erster Regen. Im Ort der nächste Regen, Unterschlupf im Kirchbogen. Dann eine richtig schwarze Wolkenfront und wir nehmen ein Zimmer. Ausflug auf die Burg, heute St.-Gallen-Festival mit Beethoven-Konzert. Schöner Ausblick aufs Gesäuse und die Umgebung, es hat angenehm abgekühlt. Äpfel einsammeln.  Zither-Abendkonzert vom Vermieter eine Etage tiefer.

Dienstag, 20. August:
7.30 raus, Frühstück mit reichlich exzellentem Kaffee, Vermieter erzählt von seinem Künstler-Hobby (Ölmaler, Zither aus Vorkriegs-Klingenthal). Start in Richtung Salza-Tal/Mariazell, urwüchsige Landschaft, wenige PKWs, dafür am Anfang Schwerlastverkehrt wegen Straßen-Verbreiterung vor Palfau.
Brennende Sonne, aber meist Wolken und einmal etwas Regen bei Filterkaffee unter dem Kapellen-Dach. Ausgiebig Pause im Canyon an der glasklaren Salza. Etwas zu kühl zum Baden, dicke Wolken. Weiter durch malerische Landschaften mit Fluss-Canyons, Felsen und oft schönen Wäldern. Und natürlich reichlich Fahrrad-Fahrverbote ...

Etliche Abenteuer-Veranstalter (Kajak und Rafting), entsprechend viele Leute sind auf dem Fluß unterwegs. 3,50 Euro Eintritt für die Wasserlochklamm, Szene-Kneipe am Eingang. Bei Fachwerk Abzweig über (für Autos und Radler) freigegebenen Umweg nach Wildalpen, Verkehr gegen Null und sehr idyllisch. Ein fetter Holzlaster. Naturschutzgebiet. Links und rechts alle Straßen für Fahrräder gesperrt. Biwak nicht weit hinter der Lassingbach-Brücke. Drei Autos röhren noch den Weg entlang, sonst ist Ruhe. Milchstraße !

Mittwoch, 21. August:
7.30 raus, 10 Grad, feucht. Nachts noch die Daune geschlossen und in den Biwaksack gesteckt. Schöne Strecke über einen Mittelgebirgspaß, einige Gehöfte, die ganze Zeit Wasser. Abfahrt nach Wildalpen, sehr schön gelegenes Wildwasser-Zentrum mit vollem Campingplatz am Fluß und sehr guter Supermarkt. Ideales Wetter heute, warm und leicht bewölkt.
Fahren hoch nach Hinter-Wildalpen, Rad hinterm Ort abtarnen, 14.00 Start zum Geiger. Kein Wasser im Bach, alle Quellen eingetrocknet. Ein älteres Einheimischen-Pärchen gibt uns Insider-Tip mit Restwasser in Gumpenlöchern 40-50m oberhalb der Brücke. Tatsächlich einige flache Becken mit –zig Liter sauberem Wasser vom letzten Regen ! Mit Chlor bestens. Idyllische Wildnis am Paß, Brotzeit. Uriger Pfad, kilometerweit hügelauf und hügelab auf einem Karst-Dolinen-Kamm-Plateau. Doline an Doline, dazwischen alte Fichten. Starke Blicke auf die von der tiefstehenden Sonne beleuchtete Hochschwab-Mauer, die Eisenerzer Kalkalpen und die Latschen-Bergwildnis im Vordergrund. Finden 19.00 Uhr an der Westschulter des kleinen Geigers eine Wiesenfläche mit tollem Panorama auf Gesäuse und Ennstaler. Lager. 20.30 Uhr: Der bislang feuchteste Abend ! 21.30 Uhr: 10 Grad.

Donnerstag, 22. August:
6.30 raus, entsetzlich geschlafen, Platz nicht gut ausgesucht, viel zu schräg für die glatte Folie, bin ständig abgerutscht und musste mich wieder hocharbeiten. Angela war cleverer und hat ihren Rucksack als Sperre am Fußende eingebaut. Diesiges Wetter, keine Spur mehr von der gestrigen Pracht. Steigen ohne Gepäck auf den hohen Geiger, Blick auf die geschundene Landschaft um Hinter-Wildalpen. Unser Biwakplatz war die erste Wahl, zumindest von der Abend-Atmosphäre her.
Nach 1,5 Stunden zweiter Morgen-Kaffee am Biwakplatz, dann Abstieg. 12.00 schieben sich dunkle Wolken zusammen, Donner. Ausgiebig Pause mit Schlafsack trocknen am Pass. Das letzte nicht gechlorte Wasser wird zu Tee verarbeitet. Abstieg zum Bike, packen und trocknen, viel Sonne. Apfelstrudel in Hinterwildalpen, schlecht und sauer. Es zieht schnell zu, Abfahrt  nach Wildalpen mit Gewittereinschlag ganz in der Nähe. Lebensmitteleinkauf inWildalpen. Weiter Richtung Mariazell, Regen.
Finden stillgelegten Schotter-Abbau oberhalb der Straße, sehr eben und mit schöner Aussicht auf die Felsen und die schön bewaldete Salza-Schlucht. Bauen die Plane als Tarp auf, vorher Essen und Eier kochen im Regen. Klart bald auf, Sonne unterstrahlt die Wolken, sternenklar. Leichter Steinschlag weiter vorn. 22.00 Uhr 16 Grad.  

Freitag, 23. August:
7.30 raus, dicke Nebelsuppe, Schlafsäcke aber schön trocken durch das Tarp. Immer noch 16 Grad, nachts sehr geschwitzt unter der Daune. Käuzchen. Bussard kreist. Wenig Verkehr. Dann eine spektakulär schöne, wilde und einsame Gegend bis Weichselboden, besonders schön die Gegend um die Riegerin. Hier ist aber auch dasKernland deutsch-österreichischer Spießigkeit: Radfahren überall verboten, einheimische Autos dürfen natürlich fahren. Unterhalten uns mit einem kritisch eingestellten Einheimischen, der meint, wir sollten uns bei den Verantwortlichen und bei der Gemeinde darüber beschweren: Die österreichischem Bundesforste und die Stadt Wien sind die Schuldigen, die Jäger stecken dahinter. Vor allem deutsche Adlige. Ein Baron von Finck hat den Weichselboden de facto unter seine Kontrolle gebracht und lässt  gnadenlos Urlauber wie Einheimische anzeigen, wenn sie die die gut betonierte Straße in den Weichselboden mit dem Fahrrad befahren.

Wir fahren weiter nach Mariazell. Kleiner, reicher, schnuckeliger Ort mit einer dicken Wallfahrtskirche und reichlich Wallfahrer von sonst woher. Ausgiebiger Stadtrundgang, Einkaufen. Weiter zum Erlaufsee, über den Weg auf der straßenabgewandten Seite, dort gibt es keinen freien Meter, alles privat. Und natürlich nur für Fußgänger. Die Radfahrer müssen wie überall auf die Autostraße. Die schreckliche Spießigkeit setzt sich fort.
Finden dann am Wanderweg nach Grünau ein ausgedehntes Kiesbett nebst sauberem Bach mit Badeteich. Sehr idyllischer Biwakplatz, 22.00 Uhr 13 Grad, die ME-Daune ist optimal.

Samstag, 24. August:
7.30 raus, Kramen, planen, ich fahre noch mal nach Mariazell zum Einkaufen. Gute Wetterprognose. Beschließen Wildnis statt Wien. 2x Baden im eiskalten Bach. 15.15 Uhr Start Richtung Lunz. Das bislang kälteste aller Bäder. Die eigentlich ruhige und schöne Nebenstraße entpuppt sich  als Wochenend-Motorrad-und-Auto-Rennpiste. Ist aber als offizielle MTB-Strecke „Ötscher-2-Tages-Tour“ ausgewiesen. Nie wieder Österreich mit dem Fahrrad ... Bis zum Alpengasthof ab Erlaufsee bis 22% auf 3,5 km, gut gewürzt mit Abgasen und heulende Motoren. Am Alpengasthof riesige Forststraßen-Baustelle, mit 20 Meter hoch weggesprengten Felsen. Das war mal der Wanderweg zum Erlaufsee ... Nie wieder Österreich mit Bike und Hike. Bestenfalls reine Wandertouren in hohen Lagen kann man hier noch machen.
Flotte Abfahrt bis zum Beginn des Wanderwegs zum Dürrenstein. Umpacken und Aufstieg, nach einer Stunde kleiner Fußweg-Abstecher runter in den Canyon zu den Gumpen, etwas seitwärts der perfekte Biwakplatz ! 21.30 Uhr 14 Grad. Schlafen nur in der Daune.

Sonntag, 25. August:
Früh 11 Grad, nachts die Daune zur Decke verwandelt, war viel zu warm. Flotter Aufstieg, perfektes Wetter. Erst Buchenwald, dann Fichtenplantagen, dann wieder Buchenwald, parallel zur Forststraße führt der Weg. Ab Ende der Forststraße auf extrem steiler und felsiger Almstraße aufwärts bis zur Alm. Bier und Radler in Büchsen für 2 Euro warten in der Tränke gut gekühlt auf Kundschaft.
Dann weiter aufwärts über die bis fast zum Gipfel zugeschissene Alm. Der Wanderweg geht neuerdings weiter über den von Urwald bestandenen Westhang des Dürrenstein-Südausläufers, da hat der Feudalherr den Wanderern wohl ein Zugeständnis gemacht. Das Gebiet ist erst seit 2002 NSG, die Forststraßen und Holzeinschlag haben den größten Teil des Urwaldes im Kessel schon zerstört. Im Westen Blick auf den gut erhaltenen Rothschildschen Kern des Reservates.
Flotter Abstieg zu unserem bewährten Biwakplatz, 18.15 da, Gumpenbad. 21.00 im Bett !

Montag, 26. August:
6.30 raus, 7.30 Start. Räder aus dem Busch holen, umpacken. Abfahrt nach Lunz. Dort gibt’s nur nationale Fahrscheine, der nächste Zug geht erst in zwei Stunden. Fahren weiter die Ybbs entlang durch eine malerische Mittelgebirgslandschaft, teils auf Radweg, teils auf ruhiger Straße. Ausgiebig Mittagspause an der Flussschleife hinter Hohenlehen, direkt unterhalb der Felsen. Ybbs-Badesee mit eiskaltem Wasser, malerische Lage. Ab 10 km vor Waidhofen wird die Ybbs zum Stausee. Waidhofen mit nettem, altem Stadtkern, aber total autoverseucht, ohne ruhige Ecken und ohne Fußgängerzone. Fahren Richtung Seitenstelten weiter, Abzweig hoch zum Paß St. Georg i.d. Klaus / Moststraße. Links im Wald Lager mit weitem Blick. 22.00 Uhr / 20 Grad, Fleece + Socken + Biwaksack + Mückenmittel.

Dienstag, 27. August:
Nachts eiskalter Wind, erst alles zugezogen, dann Hose an, dann Daune als Zusatzdecke, zu warm. Wechsel in Daunendecke. Zu kühl. Schließen scheitert aber am eingeklemmten Reißverschluß. Taschenlampen-Einsatz, dann ist alles ok und ich kann endlich weiter schlafen.
7.00 raus, 13 Grad. Ganz hoch bis St. Georg, toller Rundblick bis zum Toten Gebirge (Priel) und zum Dürrenstein. Fahren dann über die Moststraße durch das hügelige Bauernland nach Seitenstelten. Basilika Kloster Sonntagsberg anschauen, prächtig. Zwetschgen ernten. An Haag vorbei nach Enns, Österreichs ältester Stadt mit eigentlich schönem Zentrum, aber wie Waidhofen total autoverpestet. Immerhin ist eine 200 Meter lange Gasse als Fußgängerzone ausgewiesen.

Fahren zum Donauradweg, schöne Auenwaldreste, dazwischen die kanalartige Donau. Ein riesiges Flusskraftwerk mit Brücke, wir fahren dummerweise südseitig weiter, vorbei an riesiger Chemie-Industriezone auf der Donauinsel. Kommen am Südende in die Stadt rein, noch 8km bis ins Stadtzentrum durch gesichtslose Satelliten-Vororte. Das Zentrum ist auch nicht sonderlich toll, Angela ist schwer enttäuscht. Sie muss ihre abgefallenen Sandalen-Sohlen wieder ankleben. Zum Bahnhof, der letzte Direktzug nach München geht in 15 Minuten. Wir fahren eine Stunde später mit Umsteigen in Salzburg. Klappt nahtlos, das Super-Wetter folgt uns bis Deutschland. 21.40 Uhr in München.


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