Kaukasus 1989



Eine unerwartet kurze Bergtour, vom Westkaukasus zu den Elbrus-Gletschern.
2 Wochen in Russland und einige Tage in Polen.



Juli:


Holsten mit seinen guten Russland-Kontakten hat es geschafft, für Boxer, Rü und mich die Einladungen in den Kaukasus zu besorgen. Die Visa sind beschafft. Die Flüge ab Berlin gebucht. Die Pickel hat Boxers Grossvater handgeschmiedet. Die Steigeisen haben wir in Prag bekommen.

Anfang August:

Flug von Berlin nach Moskau. Gnadenloses Übergepäck. Taxifahrt vom Moskauer Flughafen Scheremetjewo zu Saschas WG. Am nächsten Tag Klärung der nötigen Stempel für die Weiter-Reise. Das Office ist gut versteckt in einem Neubau-Viertel.
Taxi zum Inlandsflughafen. Flug nach Mineralnye Wody. Weiterflug mit einem Kleinst-Flugzeug in den Kaukasus. Heftige Turbulenzen in den Kaukasus-Schluchten bringen ungeahnte Flugerlebnisse.
Ankunft im Alpinistenlager im Westkaukasus. Man feiert die Feste wie sie fallen. Wodka bis zum Abwinken in der Sauna, dazwischen Baden im eiskalten Gletscherbach bis an den Rand des Kreislauf-Zusammenbruchs. Nachts bewaffnete Patrouillen um das Lager.

Marsch quer durch den Westkaukasus Richtung Elbrus. Tagelang durch urwüchsige, menschenleere Landschaften. Mit Pickel und Steigeisen bis in 4000 Meter. Lagerfeuer in einer Schäferhütte: Die Mäuse fallen quiekend vom Dachboden, Tausende von Maden kriechen aus einer bis dahin gut gekühlten Lammkeule. Die Keule muss deshalb vor die Tür. Viele Murmeltiere.
Gigantischer Blick auf die Elbrus-Gletscher von Norden. Aufstieg Richtung Elbrus-Gletscher. Überquerung des Gletschers, gigantische Gletscher-Spalten. Barbarische Sonnen-Strahlung. Abstieg zum Touristenlager. Reichlich Ostdeutsche. Eine Deutsche ist frisch abgestürzt an der kritischen Stelle bei der Überquerung des Hauptkammes aus Richtung Georgien.

Aufstieg Richtung Hauptkamm. Planen Durchquerung von Swanetien und Abschluss der Tour am Schwarzen Meer. Wollen versuchen, per Schiff übers Schwarze Meer nach Bulgarien oder Rumänien zu kommen. Weiter dann nach Ungarn, der aktuellen Ereignisse wegen.
Abends Zeltburg bei einem Schäfer, die Rucksäcke kommen draussen in die Mitte, Folie drüber. Wache früh als erster auf. Sehe, dass der Rucksackhaufen verdächtig flach geworden ist. Man hat das Meiste geklaut... Einschliesslich der leeren und belichteten Filme. Einige Sachen finden sich in der Umgebung wieder, z.B. Boxers Pickel. Der war wohl zu schwer. Von mir hat man ausnahmslos alles geklaut und nichts weggeworfen. Rü und Holsten haben ihr Zeug noch.

Abstieg:  Mit Daypack und allem was im Zelt war wieder zum Touristenlager. Holsten fährt zur Bezirkspolizei wegen Anzeige und Bescheinigung für die Versicherung. Man beschuldigt ihn dort, dass wir nur die Versicherung betrügen wollen. Angeblich haben wir die Rucksäcke in eine Gletscherspalte geworfen. Schliesslich schafft er es aber doch noch, dass uns ein Papier ausgestellt wird. Da steht dann drin, dass wir bei der Polizei waren und behauptet haben, dass man uns bestohlen hat ...

Die Miliz im Touristen-Komplex erzählt uns dann die volle Wahrheit: Es sind mittlerweile 15.000 Mann im Kaukasus illegal unter Waffen. In der Nähe unseres Zeltplatzes gab es ein Zuchthaus, das gerade einen Massenausbruch erlebt hat. Die Leute haben sich eben bei uns versorgt und wir sollen froh sein, dass wir nicht aufgewacht sind, weil sonst hätte man uns erschossen. Russische Wandergruppen werden inzwischen am hellerlichten Tage überfallen. Die Männer werden gleich erschossen, Frauen erst vergewaltigt und dann erschossen. Uns wird ganz anders ...
 
Abreise: Holsten und Rü bleiben im Kaukausus, Boxer und ich müssen mangels Ausrüstung zurück. Verkaufen im Touristenlager noch das Zelt, um ausreichend flüssig zu sein.
Problematische Rückreise: Mit dem Bus nach Mineralnye Wody. Flugtickets sind kurzfristig nur ausserordentlich schwer zu bekommen. Unsere Story mit Partisanen-Überfall und Mafia scheint dann aber doch zu wirken. Bekommen einen Flug nach Kiew. Schauen uns Kiew an: Sauber, modern, angenehm. Weiter mit einem typisch sowjetischen Liegewagen nach Krakau. Seitlich offene Abteile und Tee aus dem Samowar.

Krakau: Finden mit einigen anderen Travellern Unterkunft im Garten-Bungalow eines Einheimischen. Neue Informationen über die Massenflucht der Ostdeutschen via Ungarn. Ausgiebige Besichtigung von Krakau. Dann weiter nach Warschau. In Warschau kurz umschauen, dann zurück in die Zone.

Suhl: Erfahre zuhause von Kerstin, dass ihre Gruppe von der georgischen Seite des Kaukasus gestartet ist. Sie waren unter anderem zu Gast bei einer georgischen Anti-Terror-Einheit. Sie waren dabei in einem ostdeutschen Camping-Anhänger der Marke "Bastei" untergebracht, der bis unters Dach mit Munition und Handgranaten vollgestapelt war. Der Anhänger ist zuvor bei ostdeutschen Touristen beschlagnahmt worden. Man hatte die Touristen in Georgien mit Transitvisum erwischt und vor die Alternative gestellt, ins Gefängnis zu gehen oder den Campingwagen abzugeben ...


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